Ausgangslage:
Die bisherigen Transporte des Atommülls nach Gorleben konnten nur unter massivem
polizeilichen Einsatz gesichert werden, so sind auch in diesem Jahr wieder mehr als
16.000 Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen im Einsatz. Der Polizei kommt hierbei die
Aufgabe zu, die sichere Ankunft des Transports in Gorleben zu gewährleisten. Darüber
hinaus hat sie jedoch auch die Aufgabe, den friedlichen Verlauf von
Protestbewegungen zu gewährleisten, um so den Atomgegnern, den betroffenen
Bürgern und Bürgerinnen und damit der friedlichen öffentlichen Meinungskundgabe den
durch die Verfassung geforderten Raum zur Gewährleistung der Versammlungsfreiheit
nach Art. 8 GG zu geben. Hier befindet sich die Polizei in einem Spannungsfeld
zwischen Politik und Gesellschaft. Auf der einen Seite steht die Verpflichtung zur
Sicherung des Transportes und auf der anderen Seite die Verpflichtung, die
Protestbewegungen in der Ausprägung des Art. 8 GG zu schützen. Dazwischen steht
der „Mensch – Polizist, Polizistin“ mit seinen bzw. ihren individuellen Gefühlen,
Empfindungen und Meinungen. Die Transporte sind jedoch sehr häufig nicht nur mit
Gefahren für die eingesetzten Beamten und Beamtinnen verbunden, sondern mit ihnen
geht nicht selten gewalttätiger Protest einher. Vor diesem Hintergrund fühlt sich die
JUNGE GRUPPE (GdP) dazu verpflichtet, im Wohle der Kolleginnen und Kollegen,
aber auch im Wohle der verfassungsrechtlich legitimierten Versammlungsfreiheit
Position zu dem aktuell rollenden Castor zu beziehen.
CASTOR – Was steckt eigentlich dahinter?
Bei der Produktion von Atomenergie entsteht hochgiftiger und gefährlicher Atommüll.
Dieser Atommüll wurde bis ins Jahr 2005 im Ausland aber auch in Deutschland
zwischengelagert und anschließend in die Wiederaufbereitungsanlagen (WAA) nach La
Hague (Frankreich) bzw. Sellafield (Großbritannien) verbracht. Dort werden die
Atomreste aufbereitet; d.h. aus dem radioaktiven Müll wird Uran und Plutonium, soweit
technisch möglich, gewonnen. Die Betreiber der Atomkraftwerke müssen das
wiederaufbereitete Material und den „Restmüll“ zurücknehmen, um die vertraglichen
Vereinbarungen mit Frankreich und Großbritannien einhalten zu können. Dieser
Umstand hat die umfangreichen CASTOR-Transporte von hochgiftigem und
gefährlichem Uran, von Plutonium und dem „Restmüll“ zu den Zwischenlagern zur
Folge. Der Begriff CASTOR meint hier die Bezeichnung für die deutschen Behälter, in
denen der Atommüll transportiert wird.
Atommüll, Atomkraft – die gesellschaftliche Debatte!
Der in den WAA aufbereitete Atommüll wird in Fässer gepresst und dann in Container
verpackt, ehe er in das Zwischenlager nach Gorleben transportiert wird. Strittig ist
jedoch, ob der Salzstock in Gorleben für die endgültige Lagerung des Mülls geeignet ist.
Die Castorbehälter müssen 40 Jahre lang abkühlen, ehe sie endgelagert werden
können. Die Behälter selbst bieten jedoch nur ca. 50 Jahre den Schutz vor
hochradioaktiven Strahlen. Ob Gorleben letzten Endes geeignet ist, lässt sich nach
Expertenmeinung jedoch frühestens in 15 Jahren sagen.
In Deutschland existieren derzeit ca. 200.000 m³ Strahlenmüll, welche in ca. 600.000
Atomfässern gelagert werden. Von diesen sind ca. 3 % hochradioaktiv, diese wiederum
machen jedoch 95 % der Gesamtstrahlenbelastung aus.Derzeit befinden sich in Deutschland
damit ca. 25.000 m³ hochradioaktiver Strahlenmüll.
Das Endlager Morsleben in Sachsen-Anhalt wurde 1998 eingestellt, da es nicht sicher
war und mit Wasser voll lief. Das Endlager Asse in Niedersachsen stürzte nach und
nach ein, lief ebenfalls mit Wasser voll und verschüttete die Behälter, die nunmehr nach
und nach geborgen werden müssen, ohne dabei eine zu große Strahlenbelastung durch
die zum Teil defekten Fässer zu gewährleisten. Der Schacht Konrad ist als Endlager
wiederum nur für leichten und mittelschweren Atommüll relevant, nicht jedoch für den
sich künftig weiter wachsenden hochradioaktiven Müll.
Derzeit gibt es weltweit keinen einzigen Lagerort für Atommüll, der von Experten als
„sicheres“ Endlager eingestuft wird. Trotz des anvisierten Atomausstieges und der
Abschaltung der ältesten Atommeiler, bleibt die Frage der Endlagerung ungeklärt. Somit
enden die aus der Atomkraft resultierenden Probleme keinesfalls mit dem
Atomausstieg, sondern werden auch noch nachfolgende Generationen begleiten. Aus
diesem Grund stoßen die CASTOR-Transporte stets auf erbitterten Widerstand der
Bevölkerung, insbesondere aber auch von Umweltschutzorganisationen und der
Initiative „x-tausendmal quer“.
Was bedeutet dies für die Polizei?
Der wachsende Widerstand aus der Bevölkerung und damit einhergehende
Befürchtungen der gewalttätigen Einwirkung auf die Behälter stellen die Polizei
zunehmend vor das Problem, die Behälter vor Beschädigungen und sonstigen
Beeinträchtigungen bis zum Zwischenlager Gorleben zu schützen. Durch einen
möglichen Transport-Unfall und eine Strahlenbelastung sind nicht nur Polizeibeamte
und Polizeibeamtinnen gefährdet, sondern auch alle Menschen, die sich im
Strahleneinwirkungsbereich befinden. Darüber hinaus ist nicht abschätzbar, welche
Strahlenwirkung von den Behältern ausgehen und welche Gefahren sich daraus für die
sich im Einsatz befindlichen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, aber auch für die
Menschen, die in Gleisnähe wohnen, ergeben. Ebenfalls wird der Polizist respektive die
Polizistin oftmals als direkter und vor allem greifbarer Repräsentant des Staates gesehen.
Die Unzufriedenheit über den Umgang mit der Lagerung von Atommüll, sowie
getroffener politischer Entscheidungen, wird auch an den Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamten ausgelassen. Hierbei wird jedoch oft vergessen, dass die Kolleginnen
und Kollegen bei den Einsätzen anlässlich der Castor-Transporte nicht agieren, um ihre
eigene politische Meinung zur Atomkraft zu verteidigen, sondern lediglich um ihrem
dienstlichen Auftrag nachzukommen.
Bereits im Rahmen der am 23.11.2011 veröffentlichen Pressemeldung äußert sich der
Bundesvorsitzende Bernhard Witthaut der Mutterorganisation GdP wie folgt zu dem
aktuellen Transport: „Die Zweifel an den offiziellen Messwerten konnten bis auf den
heutigen Tag nicht ausgeräumt werden. In den Reihen der Polizei gibt es daher viele
Sympathien für die Anliegen der Atomkraftgegner, bei ungesetzlichen Aktionen oder
strafbaren Handlungen haben die Gemeinsamkeiten jedoch ein Ende“. Bernhard
Witthaut im Weiteren zu den politischen Mandatsträgern und Vertretern
gesellschaftlichen Institutionen: „Prominente Redner müssen sich darüber im Klaren
sein, dass sie eine besondere Verantwortung tragen. Betonen sie das Widerstandsrecht
und sprechen von zivilem Ungehorsam kann das von Demonstranten leicht als
Aufforderung zur Straftat verstanden werden.“
Aus den Ausführungen ergeben sich die folgenden Forderungen der JUNGEN
GRUPPE (GdP):
1. Die Laufzeiten der Atomkraftwerke müssen auf ein unbedingt notwendiges Maß
begrenzt werden und dürfen nicht unter dem Motto „Was interessiert mich mein
Gerede von gestern“ von Regierungswechsel zu Regierungswechsel neu
ausgerichtet werden. Hier wird Politik auf dem Rücken der jungen „Generation“
gemacht, die später niemand mehr zu rechtfertigen vermag.
2. Wir werben bei den Bürgerinitiativen, den Anti-Atomkraftbewegungen und den
Umweltverbänden für friedliche Protestaktionen und deeskalierendes und
kooperatives Zusammenarbeiten mit den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten,
die den sicheren Transport zu gewährleisten haben. Auch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sind Bürger und haben eine Meinung, die im Rahmen der
Aufgabenbewältigung jedoch eine untergeordnete Rolle zur Gewährleistung der
Inneren Sicherheit und Ordnung spielen muss!
3. Wir fordern die politischen Verantwortlichen, aber auch die politischen Mandatsträger
der Opposition auf, mit gesetzlich legitimierten Mitteln ihre Anti-Haltung
deutlich zu machen. Wir erwarten von diesen, das sie nicht zu zivilem
Ungehorsam und zu Straftaten aufrufen, die letzten Endes Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamte, die in der Verantwortung der Politik stehen, verfolgen und somit
polizeiliche Maßnahmen gegen Menschen ergreifen müssen, die durch deren Aufruf
aufgestachelt wurden. Bernhard Witthaut –Bundesvorsitzender der GdP dazu: „Es
kann wohl nicht sein, dass der Gesetzgeber – und auch Abgeordnete der Opposition
sind der Gesetzgeber – zu Gesetzesverstößen animieren.“
4. Die Energieversorgungsunternehmen sind gesetzlich verpflichtet, den Atommüll
zurück zu nehmen. Aus diesem Grund sollten die Kosten für die Polizeieinsätze
auch durch die Energieversorgungsunternehmen getragen werden. Einer
Lobbypolitik erteilen wir eine klare Absage.
5. Wir fordern den fokussierten Einstieg in erneuerbare Energien. Deutschland sollte
hier eine Vorreiterrolle einnehmen und den Bereich der Forschung mehr in den
Mittelpunkt des Handelns stellen.
6. Wir fordern eine umfassende, bundesweit einheitliche Bewertung der durch
unabhängige Gutachten erzielten Erkenntnisse hinsichtlich der möglichen
Endlager für Atommüllbehälter.
7. Wir fordern zum Schutz der eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten die
Begleitung des Transports durch Strahlenschutzbeauftrage, die regelmäßige
Überwachungs- und Schutzmaßnahmen durchführen.
8. Wir fordern die rechtliche Grundlage über eine angemessene
Versorgungsgewährleistung bei möglicherweise zukünftig eintretenden
Gesundheitsschäden, die in Folge von Strahlen auftreten können, wie z.B.
Krebserkrankungen, ohne weitere Nachweisprüfung und ohne genaue Zuordnung
zu einem bestimmten Ereignis.
9. Wir fordern eine umfangreiche und sachkundige Unterrichtung der eingesetzten
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten durch ihre Führungskräfte im Rahmen der
den Führungskräften zukommenden Fürsorgepflicht.
10. Wir fordern eine umfassende und den Gefahren und Bedingungen des
Einsatzes gerecht werdende Ausstattung der Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamten (warme Unterziehkleidung, Regenschutzkleidung, Schutzkleidung,
Strahlenmessgeräte etc.).