GdP-Vorsitzender Konrad Freiberg mit Gastkommentar für das "Hamburger Abendblatt:
Polizisten bekommen den Politikverdruss zu spüren
Die Menschen spüren, dass der seit Jahren gärende Politikverdruss nunmehr auch die Politik selbst erreicht hat. "Gurkentruppe", "Rumpelstilzchen" und andere Schmähworte sind zum Sprachgebrauch innerhalb der schwarz-gelben Bundesregierung geworden. Der mittlerweile auf unterem Niveau angelangte zwischenmenschliche Umgang in der Regierungskoalition ist ein Beleg für den Zustand der Regierung. Streit ist überall, Grundlinien der Politik sind nicht erkennbar, die Koalition ist angesichts der großen Herausforderungen völlig uneins. Es ist kein Wunder, dass sich der Vertrauensverlust der Menschen in die Politik in Zahlen ausdrückt. Nach einer von der Bertelsmann-Stiftung Ende 2009 in Auftrag gegebenen Erhebung hat es sogar den tiefsten Stand seit Ende des Zweiten Weltkriegs erreicht. Nur noch wenig mehr als zehn Prozent der Bevölkerung haben Vertrauen in politische Entscheidungen. Dieser Wert ist außerordentlich besorgniserregend, weil er verdeutlicht, dass sich die übergroße Mehrheit von der Politik im Allgemeinen abgewendet hat.
Aber der Vertrauensverlust führt im Politikbetrieb zu weniger Aufregung als ein Punktverlust des DAX. Erst wenn sich dieses schwindende Vertrauen in niedrigen Wahlbeteiligungen ausdrückt, sorgt das kurz für Diskussionen.
Der Vertrauensverlust, die zunehmende Abkehr von Staat und Gemeinsinn, macht den täglichen Dienst meiner Polizeikolleginnen und -kollegen auf der Straße immer gefährlicher. Sie werden immer häufiger Opfer von Angriffen. Die Gewalt gegen die Polizei steigt seit Jahren bedrohlich.
In einer von meiner Gewerkschaft der Polizei (GdP) geförderten bundesweiten Untersuchung gaben 82 Prozent der befragten Polizisten an, im vergangenen Jahr im Dienst beleidigt oder bedroht worden zu sein, rund 27 Prozent wurden geschlagen oder getreten. Jeder 50. Polizist wurde mit einer Schusswaffe bedroht.
Was mich besonders erschütterte, ist die Menschenverachtung und Kälte, mit der sie angegriffen wurden, ohne Rücksicht darauf, ob sie schwerwiegend verletzt oder sogar getötet werden konnten. Der Sprengstoffanschlag auf Einsatzkräfte während einer Demonstration in Berlin am 12. Juni 2010 war ein vorläufiger Höhepunkt. Der Mensch in Polizeiuniform zählt nichts mehr. Die Uniform wird zunehmend Zielscheibe der Geringschätzung und des Hasses. Eine polizeiliche Anordnung oder Weisung, selbst bei einer lapidaren Regelverletzung, führt immer häufiger zu verbalem Schlagabtausch. Unsere Politiker erkennen nicht, dass der Autoritätsverlust der Polizei eine Auflösungserscheinung unserer staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung bedeutet.
Auch innerhalb der Polizei erleben wir, dass die Vertrauenskrise bislang kaum vorstellbare Ausmaße angenommen hat. Unsere Mitglieder erzählen uns, dass durch die dauernden sogenannten Reformen in Bund und Ländern keine Verlässlichkeit im beruflichen Alltag gegeben ist. Existenzielle Fragen, wie das Ende des aktiven Dienstes oder die zu erwartende Höhe der Pension, sind nicht mehr planbar. Daraus resultieren große Verunsicherung, große Wut und ein enorm schwindendes Vertrauen in den Staat. Auf der Ebene der Gewerkschaftsvorstände erleben wir, dass unsere Gesprächspartner in Parteien und Regierung zwar offen für Gespräche sind, aber keine verlässlichen Zusagen, in welcher Sachfrage auch immer, abgeben können.
Das ist die Bilanz eines auf Machterhalt ausgerichteten Taktierens, das den Namen Politik nicht mehr verdient.
Es ist Zeit für eine große Regierungsreform, damit die zunehmende soziale Schieflage in unserer Gesellschaft wieder ausbalanciert, die klaffende Lücke zwischen Arm und Reich geschlossen wird und die Politik durch verantwortliches Handeln wieder Achtung gewinnt. Die zunehmende Ungerechtigkeit und die Hilflosigkeit der Politik erzeugen bei den Menschen Unverständnis und Zorn. Zu Recht! Dieser berechtigte Zorn wird mit Protesten auf den Straßen einen immer stärkeren Ausdruck finden.
In Südafrika hat der Ausfall des deutschen Führungsspielers Michael Ballack die Nationalmannschaft enger zusammengeschweißt und damit den Teamgeist aus der Flasche gelockt. Für die amtierende Bundesregierung würde nicht einmal das reichen. Nur eine komplett neue Mannschaftsaufstellung hätte die Chance, die Begegnung mit der Wirklichkeit zu bestehen.
Link: Zum Artikel in der Online-Ausgabe des Hamburger Abendblatts.
Aber der Vertrauensverlust führt im Politikbetrieb zu weniger Aufregung als ein Punktverlust des DAX. Erst wenn sich dieses schwindende Vertrauen in niedrigen Wahlbeteiligungen ausdrückt, sorgt das kurz für Diskussionen.
Der Vertrauensverlust, die zunehmende Abkehr von Staat und Gemeinsinn, macht den täglichen Dienst meiner Polizeikolleginnen und -kollegen auf der Straße immer gefährlicher. Sie werden immer häufiger Opfer von Angriffen. Die Gewalt gegen die Polizei steigt seit Jahren bedrohlich.
In einer von meiner Gewerkschaft der Polizei (GdP) geförderten bundesweiten Untersuchung gaben 82 Prozent der befragten Polizisten an, im vergangenen Jahr im Dienst beleidigt oder bedroht worden zu sein, rund 27 Prozent wurden geschlagen oder getreten. Jeder 50. Polizist wurde mit einer Schusswaffe bedroht.
Was mich besonders erschütterte, ist die Menschenverachtung und Kälte, mit der sie angegriffen wurden, ohne Rücksicht darauf, ob sie schwerwiegend verletzt oder sogar getötet werden konnten. Der Sprengstoffanschlag auf Einsatzkräfte während einer Demonstration in Berlin am 12. Juni 2010 war ein vorläufiger Höhepunkt. Der Mensch in Polizeiuniform zählt nichts mehr. Die Uniform wird zunehmend Zielscheibe der Geringschätzung und des Hasses. Eine polizeiliche Anordnung oder Weisung, selbst bei einer lapidaren Regelverletzung, führt immer häufiger zu verbalem Schlagabtausch. Unsere Politiker erkennen nicht, dass der Autoritätsverlust der Polizei eine Auflösungserscheinung unserer staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung bedeutet.
Auch innerhalb der Polizei erleben wir, dass die Vertrauenskrise bislang kaum vorstellbare Ausmaße angenommen hat. Unsere Mitglieder erzählen uns, dass durch die dauernden sogenannten Reformen in Bund und Ländern keine Verlässlichkeit im beruflichen Alltag gegeben ist. Existenzielle Fragen, wie das Ende des aktiven Dienstes oder die zu erwartende Höhe der Pension, sind nicht mehr planbar. Daraus resultieren große Verunsicherung, große Wut und ein enorm schwindendes Vertrauen in den Staat. Auf der Ebene der Gewerkschaftsvorstände erleben wir, dass unsere Gesprächspartner in Parteien und Regierung zwar offen für Gespräche sind, aber keine verlässlichen Zusagen, in welcher Sachfrage auch immer, abgeben können.
Das ist die Bilanz eines auf Machterhalt ausgerichteten Taktierens, das den Namen Politik nicht mehr verdient.
Es ist Zeit für eine große Regierungsreform, damit die zunehmende soziale Schieflage in unserer Gesellschaft wieder ausbalanciert, die klaffende Lücke zwischen Arm und Reich geschlossen wird und die Politik durch verantwortliches Handeln wieder Achtung gewinnt. Die zunehmende Ungerechtigkeit und die Hilflosigkeit der Politik erzeugen bei den Menschen Unverständnis und Zorn. Zu Recht! Dieser berechtigte Zorn wird mit Protesten auf den Straßen einen immer stärkeren Ausdruck finden.
In Südafrika hat der Ausfall des deutschen Führungsspielers Michael Ballack die Nationalmannschaft enger zusammengeschweißt und damit den Teamgeist aus der Flasche gelockt. Für die amtierende Bundesregierung würde nicht einmal das reichen. Nur eine komplett neue Mannschaftsaufstellung hätte die Chance, die Begegnung mit der Wirklichkeit zu bestehen.
Link: Zum Artikel in der Online-Ausgabe des Hamburger Abendblatts.