Kampf gegen moderne Lohnsklaverei! Eine Aufgabe für den Zoll
Hilden, 11.02.2014: Menschenhandel ist eine schwere Menschenrechtsverletzung und findet auch in Deutschland und Europa statt. Die Internationale Arbeitsorgansiation (ILO) schätzt, dass allein in Europa 880.000 Menschen von Zwangsarbeit und Menschenhandel betroffen sind. Häufig wird dieser Begriff allein mit sexueller Ausbeutung in Verbindung gebracht. Doch wie sieht es in anderen Arbeitssektoren, wie in der Fleischindustrie, auf dem Bau oder in der Hotellerie und Gastronomie aus? Wie lässt sich Menschenhandel erkennen, Betroffenen helfen und was tut die Bundesregierung gegen diese Verbrechen? Diese Fragen diskutierte am gestrigen Abend ein vielseitig besetztes Podium unter Leitung von Ute Holzhey im Rahmen einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem inforadio des Senders RBB.
Beate Andrees (Senior Policy Officer, Special Action Programme to combat Forced Labour, ILO) erläuterte zunächst die Situation von Ausbeutung im internationalen Vergleich, ließ aber keinen Zweifel daran, dass trotz deutlich höherer Zahlen in Asien und Afrika, die Zahlen für Europa erschreckend hoch sind. Oberstaatsanwalt Harald Feles (Staatsanwaltschaft Potsdam) lenkte den Blick auf die zum Teil komplizierte Rechtslage und deren schwierige Beweisführung, die sich aus dem Tatbestandsgeflecht von Menschenhandel und den entsprechenden Betrugsdelikten des Arbeitsmarktes ergeben. Zoll und Polizei gäben ihr Bestes. Da aber die Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung zum Teil strafrechtlich zu Täten würden, kann man selten auf deren notwendige Mitwirkung hoffen. Das erklärte auch Bettina Wagner, Beraterin im Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte des DGB Bezirk Berlin-Brandenburg, die anhand verschiedener Beispiele erläuterte, dass neben der drohenden Strafverfolgung der Opfer auch deren soziale und wirtschaftliche Lage oftmals elendig ist. Die kriminellen Netzwerke der Ausbeuter sind so aufgestellt, dass große Abhängigkeiten für die modernen Sklaven geschaffen werden, die von denen erst durchbrochen werden müssten. Menschen, die aber hohe existentielle Ängste haben, öffnen sich nicht gegenüber Dritten, erst recht nicht gegenüber den Behörden von Zoll und Polizei. Der SPD Bundestagsabgeordnete Uli Grötsch, der selbst Polizeibeamter ist, ist zuversichtlich, dass in der laufenden Wahlperiode das Thema Menschenhandel und Ausbeutung der Arbeitskraft auf die politische Agenda gehört. Hierzu wären im Koalitionsvertrag auch deutliche Absichten formuliert. Im Rahmen der Diskussion machte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei -Bezirksgruppe Zoll- Frank Buckenhofer deutlich, dass das für den Zoll zuständige Bundesfinanzministerium, vor dem Hintergrund dieser menschenverachtenden und entwürdigenden Lohnsklaverei, endlich die wirksame Bekämpfung von illegaler Beschäftigung weniger unter dem Gesichtspunkt der wenig erträglichen Füllung der Steuer- und Sozialkassen betrachten soll, sondern vielmehr als einen wertvollen und für einen sozialen Rechtsstaat unverzichtbaren Kampf gegen Menschenhandel, Ausbeutung und Elend der Opfer. Diese werden viel zu schnell im Blick der Strafverfolgungsbehörden als Täter und auch als Pflichtige für die Sozial- und Steuerkassen verfolgt, weil sie z.B. von ihren Peinigern geschickt in die Scheinselbstständigkeit gezwungen werden. Es geht hier in erster Linie um die Würde derjenigen Menschen, die in Deutschland ausgebeutet werden. Erst danach geht es um die Sozialkassen. Menschenhandel muss man deshalb von der illegalen Beschäftigungsseite bekämpfen. Hier ist der erste Ort, wo die modernen Sklaven aus dem Dunkeln ins Licht treten. Das geht aber nur mit einem möglichst hohen Kontroll- und Ermittlungsdruck. Diesen Kampf muss der Zoll mit aller Kraft leisten.