Sehr geehrter Herr Wiechmann,auch nach den schrecklichen Polizistenmorden diesen Jahres dürfen radikale Forderungen nach einem veränderten polizeilichen Verhalten keine politische Mehrheit gewinnen. Fahrzeugkontrollen, die ausschließlich mit vorgehaltener Waffe durchgeführt werden, sind für mich und meine Organisation nicht diskutabel. Sogenannte "amerikanische Verhältnisse", die sich auch durch ein martialisch wirkendes polizeiliches Erscheinungsbild darstellen, lehnen wir ab. Bei begründetem Verdacht und zur Eigensicherung wird es aber auch in unserem Alltag immer wieder zu Situationen kommen, in denen meine Kolleginnen und Kollegen zur Waffe greifen müssen. Es darf aber nicht so weit kommen, dass ein Polizist jede Bürgerin und jeden Bürger per saldo für einen potentiellen Mörder oder Attentäter halten soll. Die GdP setzt sich mittlerweile seit weit über vierzig Jahren dafür ein, dass Bürgerinnen und Bürger ihren Polizistinnen und Polizisten Vertrauen entgegenbringen. Vertrauen, dass aber beiderseits benötigt wird, um erfolgreiche Polizeiarbeit leisten zu können.
Seit Jahren beobachtet die Polizei, dass die Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft zunimmt. Soziale Bindungen gehen eher zu Bruch, Alkoholismus, Droegnmissbrauch und Vandalismus nehmen zu. Immer häufiger wird die Polizei zu häuslichen Streitereien gerufen. Dabei begegnen die zur Hilfe eilenden Kolleginnen und Kollegen vermehrt Menschen, die in ihrer Wut Konflikte nicht ohne Einsatz von Gewalt lösen können. Oft wird zu Waffen gegriffen.
Dieses eine Beispiel zeigt schon, dass das erhöhte persönliche Risiko, das der ohnehin schon gefährliche Beruf des Polizeibeamten mit sich bringt, durch gesellschaftliche Entwicklungen maßgeblich beinflusst wird. Polizistinnen und Polizisten sind meist die Ersten, die gesellschaftlichen Fehlentwicklungen in ihrer alltäglichen Arbeit zu spüren bekommen. Die Politik läßt die Polizei gegenüber diesen Fehlentwicklungen nicht Schritt halten. Im Gegenteil: Es blüht in diesen Kreisen eine Erwartungshaltung, die Polizei jederzeit mit allerlei neuen Aufträgen versorgen zu können. Ohne nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ob die Polizei denn mit dem Stand an Personal und Technik dieser fast wöchentlich wechselnden Auftragslage gewachsen ist, wird schon an der nächsten Eilanordnung gestrickt. Wer dies als ignorante Befehlsgeber-Attitüde bezeichnet, liegt so falsch nicht.
Die Gewerkschaft der Polizei wird dies und die zunehmenden Risiken des Polizeiberufs gewerkschaftspolitisch bekämpfen. Wir wollen mehr Personal. Wir brauchen eine bessere, modernere Technik. Die Ausstattung muss funktioneller und sicherer werden. Die Aus- und Fortbildung der Polizistinnen und Polizisten muss so effektiv wie möglich gestaltet werden. Und nicht zuletzt verlangen wir eine entsprechende Bezahlung und die ausreichende wirtschaftliche Absicherung verletzter oder getöteter Kolleginnen und Kollegen.
Aber wir wollen auch mehr über gefährliche Angriffe auf Polizeibeamtinnen und -beamte lernen. Seit dem Sommer diesen Jahres untersucht das Kriminologische Forschungsinstitut e. V. in Hannover auf Initiative der GdP die letzten rund 500 lebensgefährdenden Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten. Von den Ergebnissen dieser zusammen mit den Innenministern der Länder und des Bundes initiierten Untersuchung erwartet die GdP Aufschlüsse über reformbedürftige Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, sinnvolle Verbesserungen der technischen Ausstattung und fortführende Maßnahmen zur Eigensicherung.
Aber zurück zu den Fahrzeugkontrollen: im Gegensatz zu Ihnen, Herr Wiechmann, bin ich nicht der Meinung, dass wir es im Verhältnis Autofahrer und Polizei mit einer angespannten Situation zu tun haben. Ich hielte es für diskriminierend, würde man dies der unauffälligen Mehrzahl aller Verkehrsteilnehmer - und natürlich auch der Polizei - unterstellen. Nicht zu verkennen ist aber, dass das Verhalten im Straßenverkehr immer aggressiver wird. Die Polizei wird diesen Trend nicht allein abwenden können - schon gar nicht mit gezückter Waffe. Ich appelliere hier an dieser Stelle, im Straßenverkehr fair miteinander umzugehen. Dazu gehört auch, notwendige Kontrollen der Polizei nicht als bösartige Schikane zu empfinden. Durch die Polizei belastet werden nur die, die sich nicht an die Spielregeln gehalten haben.
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