Einmischung erwünscht
Durch die Personalräte wurzelt die Gewerkschaft im Alltag der Menschen. Dies stellt keinen Widerspruch zum „Fürsorgegedanken“ dar. Niemandem sollte es gleichgültig sein, ob er seine berufliche Arbeit nur erträgt oder als positiven Teil seines Lebens empfindet und mit Befriedigung gestaltet.
Die Möglichkeiten, selbst mitzuarbeiten, erweitern die Chancen, gestalterisch am eigenen dienstlichen Umfeld auch tatsächlich mitzuwirken. Und dabei dürfen wir uns immer ins Bewusstsein rufen, dass sich Recht nicht von alleine durchsetzt; wir alle sind letztendlich aufgerufen, diesen Rahmen auszugestalten. Und dieser Umstand macht den Wert demokratischer Strukturen wiederum deutlich: Die Mehrheit gestaltet. Somit hat jedes Einbringen seinen Sinn, auch wenn sich uns dieser auf den ersten Blick nicht erschließen mag – nichts ist umsonst.
Ohne Anspruch auf allumfassende Aufzählung sei ein Überblick zu Mitbestimmungstatbeständen gestattet, die von einer Versetzung oder Abordnung, dem Beginn und Ende täglicher Arbeitszeiten oder der Verteilung eben dieser Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage bis hin zur Aufstellung des Urlaubsplanes reichen. Betroffen sind nämlich diesbezüglich keine abstrakten oder theoretischen Fallgestaltungen, sondern einzelne Beschäftigte oder alle Kolleginnen und Kollegen in einer Dienststelle. Die Gestaltung von Arbeitsplätzen ist – neben der gerechten und nachvollziehbaren Bezahlung neben Arbeitszeitfragen – ein weiterer zentraler Punkt von Mitbestimmung. Hierbei kann sehr konkret gearbeitet und mitgestaltet werden. Die Teilnahme an einer Gemeinschaft, aber auch deren Teilhabe, entspricht der Wesensart des Menschen. Und diesem Anspruch wird durch die Mitbestimmung Rechnung getragen, indem wir denjenigen eine Stimme zu verleihen, die sich eben – aus unterschiedlichen Gründen – nicht immer Gehör verschaffen können.
Menschen brauchen Gemeinschaft: In ihr finden sie Bestätigung, Geborgenheit und Schutz.
Die Selbstbestimmung am eigenen Arbeitsplatz und in der eigenen Dienststelle stellt ebenfalls einen oftmals unterschätzten demokratischen Wert dar. Jede Gesellschaft benötigt zu ihrer Organisation des Zusammenlebens eine Ordnung. Was für den Einzelnen gilt, gilt umso mehr auch für Gruppen. Die Arbeit von den Personalvertretungen ist kein Selbstzweck; sie ist auch mehr als schlichter Gesetzesvollzug. Aus dem polizeilichen Alltag wissen wir, dass Recht allein nichts nützt, wenn es nicht durchgesetzt wird. Und Gleiches gilt für die Mitbestimmung. Die Mitbestimmung als Gesetz allein reicht nicht aus.
Als ein Instrument für soziale Gerechtigkeit und Solidarität braucht es die Einmischung jedes Einzelnen. Es ist auch unzweifelhaft, dass ihre Arbeitsergebnisse der Gemeinschaft und dem Einzelnen dienen. Der Personalrat hat als Ausgleichsfaktor zwischen Individualinteressen und als Interessenvertretung gegenüber der Dienststelle bewiesen, dass er dieser Ordnungsfaktor ist. Er ist also mehr als der „soziale Kitt“, der den Laden zusammenhält. Nutznießer können sowohl der Einzelne als auch die Dienststelle sein. Durch diese Interessenvertretung kann die Führungsarbeit der arbeitsrechtlichen und dienstrechtlichen Verantwortlichen ergänzt und stabilisiert werden. Beteiligungsrechte behindern nicht die Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Vielmehr belegt die Verwaltungsrealität, dass eine Selbstbindung der beiden Partner – Dienststelle und Personalrat – eintritt.
Mitbestimmung ist eine Garantie für Kontinuität, Stabilität sowie Solidarität!
Es ist gewerkschaftliche Aufgabe in den Personalvertretungen, sich mit der Allgemeinverträglichkeit von Einzelinteressen auseinanderzuset¬zen; soweit zur Einmischung des Einzelnen. Die Arbeit in den Perso¬nalräten – als Aufgabe und Anspruch einer Gewerkschaft – hat noch eine weitergehende Wirkung, denn: Mitbestimmung kontrolliert.
Der allgemeine Überwachungsauftrag der Personalräte und ihre demokratische Legitimation bilden die Pole für das immerwährende „Spannungsfeld“ zwischen Dienst-stellenleitung und Beschäftigten-vertretung. Hier spiegelt sich am deutlichsten Demokratieverständnis und Menschenbild wider. Es geht dabei nicht um den gewerkschaftlichen Einfluss auf einen hierarchischen Apparat. Es geht um die parlamentarische Steuerung dieser Apparate. Es ist kein allzu kühner Schluss, in den Kontrolltätigkeiten der Personalräte ein taugliches Mittel für einen Bereich, der vom Parlament nicht oder nicht hinreichend kontrolliert wird, zur Verhütung von
Machtmissbrauch zu sehen. Es besteht kein Zweifel daran, dass Verwaltungshandeln an Recht und Gesetz gebunden ist. Doch es gibt keine freiwillige Selbstkontrolle. Im Alltag kann es passieren, dass den Personalräten die Qualifikation für eine Kontrolle – und vor allem Rechtskontrolle – abgesprochen wird. Die Personalräte haben keine Aufgabe im Sinne der Dienst- und Fachaufsicht gegenüber der Dienststelle.
Ihre verwaltungsinterne Aufgabe besteht in der Feststellung, ob die Gesetze, die vom Parlament verabschiedet wurden, umgesetzt und eingehalten werden. Personalräte sind nicht nur ein dienststelleninter-nes Organ. Sie sind auch Teil einer parlamentarischen Kontrolle der Behörden. Dies drückt sich in dem allgemeinen Überwachungsauftrag aus.
Die Mitbestimmung der Personalräte ist eine Ergänzung der parlamentarischen Kontrolle, ohne damit in die Organisations gewalt des „Dienstherren“ einzugreifen.
Eine Feststellung des Sozialphilosophen Karl R. Popper zeigt dieses Erfordernis: “Ein wichtiger Punkt in jeder Theorie des demokratischen Staates ist das Problem der Bürokratie.
Denn unsere Bürokratien sind ,undemokratisch‘. Sie enthalten unzählige Westentaschendiktatoren, die praktisch nie für ihre Taten und Unterlassungen zur Verantwortung gezogen werden.“ Hier setzt die parlamentarische Kontrolle und Überwachung des Verwaltungshandelns ein. Sie stellt kein Misstrauen hinsichtlich der Beantwortung der Frage, ob das Handeln mit Recht und Ordnung vereinbar ist, dar. Es gehört schlicht und ergreifend zu den Spielregeln unserer Demokratie. Ganz im Sinne des Zitates von Willy Brandt:
“Wir wollen mehr Demokratie wagen.“