Nicht entlastend, aber fairer
Von Sven Hüber, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bezirk Bundespolizei
Arbeitspsychologen sprechen es klar aus, die „Strohmeier-Studie“ hat es bestätigt und die Schicht- und Einsatzdienst leistenden Mitarbeiter wissen es sowieso: Nachtarbeit und Biorhythmuswechsel werden anfangs gut weggesteckt, aber dann steigt die körperliche Belastung überproportional an.
Ab dem 21. Jahr in Schichtarbeit nimmt das Risiko, ganz oder teilweise dienstunfähig zu werden, exponentiell zu. Nach jahrelangem Dienst zu wechselnden Zeiten fehlt oftmals die Energie zur Pflege sozialer Kontakte und Vereinsleben. Chronischer Bewegungsmangel, unregelmäßiges und unausgewogenes Essen und oftmals Übergewicht tun ein Übriges. Wer dies ausgleichen will, braucht vieles, darunter aber auch Geld und Urlaub. Denn z. B. gesunde Ernährung im Schicht- und Einsatzdienst kostet, erst recht, wenn man an einem preisexklusiven Flughafen arbeitet. Auch wer sich einen prophylaktischen Kuraufenthalt gönnen will (den der Dienstherr seinen Schicht- und Einsatzdienstleistenden unbegreiflicherweise immer noch verweigert), muss in die Tasche greifen. Der finanzielle Ausgleich für Belastungen im Schichtdienst aber stockte seit Jahren. Und obwohl die Altersgrenze von der damals schwarz-roten Bundesregierung für Polizeibeamtinnen und -beamte ohne Rücksicht auf die Folgen der permanenten körperlichen Dauerbelastung, vor allem für ältere Mitarbeiter, einheitlich auf 62 Jahre hochgeschraubt wurde. Der dienstlichen Hoffnung, mit immer mehr „Flexibilisierung“ von Arbeitszeiten politisch zu verantwortende Personallöcher durch jederzeitige Verfügbarkeit der Mitarbeiter zu stopfen, steht das Ärgernis der Mitarbeiter gegenüber, immer weniger Planbarkeit für das private und familiäre Leben zu haben. – Und ihre Erkenntnis, dass Nacht- und Wochenenddienste zwar immer weiter anstiegen, aber finanziell immer weniger wert wurden. Eine wachsende Zahl von Mitarbeitern im Einzeldienst, aber auch in der Bereitschaftspolizei, in den Mobilen Fahndungseinheiten, den Mobilen Kontroll- und Überwachungseinheiten, den Ermittlungsdiensten … bekam gar nichts, weil sie sich zwar die Nächte um die Ohren schlugen und zu unmöglichsten Zeiten Dienstbeginn hatten, aber nicht im klassischen Wechselschichtbetrieb arbeiteten.
Die GdP wird nicht müde, den Finger gerade in die Wunde „Folgen von Schicht- und Einsatzdienst und Überalterung“ zu legen, und zwar immer tiefer. Denn der überwiegende Teil unserer Mitglieder arbeitet unter den Bedingungen wechselnder Arbeitszeiten. Seit 2009 verhandelten wir mit dem Bundesinnenministerium um einen neuen, besseren finanziellen Ausgleich und Möglichkeiten, alle einzubeziehen, die Nachtarbeit leisten und Rhythmuswechsel ertragen müssen, egal in welchem Arbeitszeitmodell. Seit 2010 feilten und feilschten wir an den Verordnungsentwürfen. Zentrale Überlegung auch der GdP war dabei, trotz zuvor anderweitiger Überlegungen das Thema „DuZ“ zunächst (auch aus steuerpolitischen Gründen) nicht anzufassen, sondern vielmehr höhere Zahlungen für weit mehr Kolleginnen und Kollegen durch eine Neugestaltung des finanziellen Ausgleichs für Schicht- und Einsatzdienst und mehr Zusatzurlaub zu erreichen. „Mehr Zulage und Urlaub für mehr Betroffene!“ – das war die Marschrichtung. Und man darf es ruhig einmal sagen, dass auch die sonst oft gescholtenen Dienstrechtler aus dem Bundesinnenministerium sich den Gewerkschaftern sehr kooperativ zeigten. Das Ergebnis steht nun kurz bevor, das (hoffentlich letzte) Beteiligungsgespräch fand nach Redaktionsschluss statt. Statt der alten Wechselschichtzulage wird ein neues System eine monatlich spitz ausrechenbare Zulage in Abhängigkeit von den geleisteten Nachtstunden und Wochenenddiensten ersetzen, die alle Arbeitszeitmodelle mitnimmt. Auch der Zusatzurlaub wird erhöht und an der tatsächlich ertragenen Belastung bemessen werden; – nicht mehr am Arbeitszeitmodell. Zudem soll die bisherige Anrechnung der Zulage auf die Polizeizulage der Vergangenheit angehören und auch den Anwärtern zuteilwerden, die bisher ihre Nachtstunden für lau in den Praktika absolvierten. Auch die Anrechnung der Zeiten der allen zustehenden Ruhepause auf die Arbeitszeit soll nicht mehr am Arbeitszeitmodell hängen, sondern an den geleisteten Rhythmuswechseln und Nachtdienststunden. – Tausende Kolleginnen und Kollegen werden damit finanziell und urlaubsmäßig bessergestellt, für viele weitere wird sich durch die Ausweitung der Pausenanrechnung eine faktische Arbeitszeitverkürzung ergeben.
Das ist ein guter Anfang und ein schöner Beweis, dass es richtig ist, dass sich Polizeibeschäftigte in einer Gewerkschaft zusammenschließen und dadurch auch etwas für ihre Mitglieder herausholen; – und nicht die Betreiber von Chats und Foren.
Auch wenn womöglich noch einige Fragen zu klären sind, wie zum Beispiel die Berücksichtigung von Bereitschaftszeiten. Doch das ist nicht das Ende, sondern ein Anfang. Dienst zu wechselnden Zeiten muss finanziell fair ausgeglichen werden. Aber er darf trotzdem nicht krank machen. Weder, weil er viele lange Jahre und bis zur späteren Pensionierung ausgeübt werden muss, noch weil durch immer ungesundere „flexible“ Taktungen von Rhythmuswechseln die körperliche Belastung hochgeschraubt wird. Wer die Gesundheit seiner Mitarbeiter managen will, braucht nicht nur Rückenschulen, sondern familienfreundliche Arbeitszeiten in der (oftmals) Pendler- Polizei, wieder abgesenkte Wochenarbeitszeiten, später beginnende Frühschichten, weniger Präsenztage. – Dieses Verständnis von Rücksicht auf Mitarbeiter mit unregelmäßigen Arbeitszeiten sollten sich gerade diejenigen hinter die Ohren schreiben, die jetzt die dienstlichen Wohnsitze an den Revieren auf dem Buckel der Mitarbeiter „flexibilisieren“ wollen.
(Dieser Kommentar wurde erstveröffentlicht in: Deutsche Polizei – Bezirksjournal Bundepolizei, Ausgabe 06/2013, S. 1)
Bundesregierung verbessert Ausgleich für Dienst zu wechselnden Zeiten (2)