Rheinische-Post-Interview mit Konrad Freiberg:
"Speicherung aller Fingerabdrücke? Nein danke"
Rheinische Post: Der Innenminister plant ein neues Sicherheitspaket, will unter anderem die Daten der Lkw-Maut zur Strafverfolgung nutzen. Was halten Sie davon?
Freiberg:Für schwerste Straftaten halte ich das für eine vernünftige Regelung. Es gab bereits einen Fall, in dem wir einen Autobahn-Mörder mit Hilfe der Maut-Daten viel schneller hätten stellen können. Wenn man es für einen ganz eng begrenzten Kreis von Delikten erlauben würde, wäre das zu rechtfertigen. Aber der Bürger muss darauf vertrauen können, dass die Maut-Daten nicht generell zum Zweck der Beobachtung und der Verfolgung kleinerer Straftaten oder Verkehrsverstöße genutzt werden. Das muss ganz eindeutig geregelt sein.
Der Minister will den Sicherheitsbehörden auch die heimliche Online-Durchsuchung von Computern erlauben. Tragen Sie das mit?
Freiberg: Auch das halten wir in ganz wenigen Einzelfällen für vertretbar, und zwar zur Abwehr und Verfolgung von Terroranschlägen. Aber auch hier geht es um ein ganz sensibles Instrument: Jeder Bürger hat heute sehr persönliche Daten in seinem Computer. Deshalb gibt es da verständlicherweise große Ängste vor Überwachung. Man muss dem Bürger garantieren, dass es wirklich nur zur Abwehr von schwersten terroristischen Taten erlaubt ist. Wir müssen da ähnlich sensibel vorgehen wie beim Lauschangriff: nur unter bestimmten Voraussetzungen und mit richterlicher Genehmigung. Ich denke sogar an eine zusätzliche richterlicher Kontrolle. Davon zu unterscheiden ist die Fahndung im Internet. Das Internet ist das wichtigste Instrument des islamistischen Terrorismus geworden. Dort müssen wir viel, viel mehr Kraft hineinsetzen. Bei den Plänen zu neuen Sicherheitsgesetzen ist zwar manches sinnvoll, aber das sind nicht die entscheidenden Ansätze zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus.
Im Gespräch ist auch eine Verstärkung der Rasterfahndung.
Freiberg: Diese Debatte kommt für mich überraschend, denn es gibt heute gar kein geeignetes Raster mehr, um nach irgend jemandem zu fahnden. Dazu sind die Täterkreise heute viel zu unterschiedlich. Außerdem gibt es längst eine Rasterfahndung in der Strafprozessordnung und zur Gefahrenabwehr in den Ländern. Nun wird diskutiert, sie auch dem Bundeskriminalamt zu ermöglichen. Ich habe gewisse Vorbehalte, dass dieses Instrument jetzt vorbeugend notwendig ist.
Wie bewerten Sie die Idee, den Fingerabdruck aus den neuen Pässen zudem bei den Meldebehörden zu speichern?
Freiberg: Der Entwurf zum Passgesetz sieht vor, dass der neue Reisepass auch einen Fingerabdruck enthält, wie in der ganzen EU geplant. Aber im bisherigen Entwurf steht, dass die Fingerabdrücke danach zu vernichten sind. Nun gibt es in der Union Bestrebungen, diese Abdrücke aufzubewahren. Dann hätten wir irgendwann auch ein bundesweites Zentralregister aller Fingerabdrücke. Das halten wir weder für sinnvoll noch für vertretbar. Deshalb lehnen wir diese Maßnahme vehement ab. Ohnehin verkleistern all diese Diskussionen um neue Sicherheitsgesetze die Augen vor den wirklich wichtigen Maßnahmen zur Terrorbekämpfung.
Welche sind das aus Ihrer Sicht?
Freiberg: Das Entscheidende ist das Personal. In Deutschland leben nach Analyse der Sicherheitsbehörden rund 100 islamistische Gefährder. Wir sind nicht einmal in der Lage, diese 100 Leute zu überwachen, weil uns das Personal fehlt. Das ist verantwortungslos. Die Länder kürzen drastisch beim Personal: Wir haben heute 7000 Polizeibeamte und 5000 Angestellte weniger als vor fünf Jahren, also 12.000 Beschäftigte der Polizei weniger. Hier ist der entscheidende Ansatz für eine verbesserte Terrorbekämpfung.
Rheinische Post, Stefan Reker, veröffentlicht am 12. April 2007
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Zum Download des RP-Interviews mit Konrad Freiberg