Kommentar des Monats: Mehr als Schlagworte: Antworten wollen die Menschen
Kommentar von Jörg Radek, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bezirk Bundespolizei, aus der Deutschen Polizei – Ausgabe April 2013:
Wir leben in einer schnelllebigen Zeit. Die Nachrichtenlagen werden von Meldungen überlagert, bei denen der Konsument den Eindruck gewinnen könnte, Schlagzeile geht vor Inhalt. Vielleicht ist es dann mal gut, sich zu besinnen.
Nach den Schlagworten „Personalkultur“, „Leitbild“, „Motivation“ oder „kooperatives Führungssystem“ steht wieder Neues ins Haus … Mit dem „Demografiesensiblen Personalmanagement“ will die Bundesregierung den Veränderungen und Folgen für die Altersstruktur begegnen. Die Regierungskunst ist das Erkennen dieser Herausforderungen sowie das Entwickeln von Lösungen. Diese Erwartungshaltung besteht allerdings im konkreten Verwaltungshandeln für die Bundespolizei nicht den Realtest. In der Bundespolizei beträgt der derzeitige Altersdurchschnitt 41,37 Jahre. Für die Bundespolizei bedeutet das – ausgehend von der gegenwärtigen Altersstruktur für die nächsten Jahre – ca. 9800 Ruheständler. Gleichzeitig geht die Anzahl der Personen im erwerbsfähigen Alter in Deutschland insgesamt zurück. Die Zahl der unter 20 Jährigen wird von heute ca. 16 Millionen in den nächsten Jahren stetig abnehmen. Im gehobenen Dienst erreichen nach dem Auslaufen des Attraktivitätsprogramms bis 2022 ca. 2900 Mitarbeiter ihre Altersgrenze. An diesen Zahlen wird deutlich: Die Bundespolizei muss das entstehende Personalfehl im gehobenen Dienst eigenständig schließen. Die Altersstruktur stellt veränderte Anforderungen an eine Personalentwicklung. Es geht auch um die Bedingungen der Berufsausübung.
Ein Wald ist mehr als nur eine Ansammlung von Bäumen. Die Bundespolizei ist mehr als eine Datensammlung von Kennziffern. Der Mensch ist eben nicht eine Ameise oder Termite, die anonym und austauschbar unter Gleichartigen ihr Dasein fristet. – Diese Erkenntnis ist nicht neu und stammt vom Verhaltensforscher Konrad Lorenz. Der Auftrag wird von Menschen erledigt. Von Menschen mit einem Lebenslauf, mit einer Familie, mit pflegebedürftigen Angehörigen, mit Kindern in der Schulausbildung, mit Sorgen und Nöten, mit Spaß und Freude. Die Menschen in der Bundespolizei wahrzunehmen heißt, sie ganzheitlich wahrzunehmen; mit ihren Familien und ihren Umständen, unter denen sie arbeiten. Die Menschen in der Bundespolizei brauchen Antworten auf ihre unterschiedlichen „sozialen Fragen“. Diese Antworten werden davon geprägt, dass die Menschen die Arbeitswelt aushalten müssen. Der arbeitende Mensch hat einen Anspruch auf eine ausgewogene Balance von Beruf und Privatleben. Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben stellt in der Mitte des Lebens andere Anforderungen als beim Berufseinstieg oder kurz vor der Rente bzw. Pensionierung. Dieser Anspruch hält sich nicht am Tarifrecht, Arbeitsrecht oder Beamten- und Laufbahnrecht fest. Dieser Anspruch gilt für alle. Deshalb auch hierbei ganzheitlich denken und handeln!
In aller Munde: die Nachhaltigkeit …
Von den Menschen in der Bundespolizei wurde Flexibilität abverlangt. Sie wurden umgetopft und sozial entwurzelt. Eine Folge ist: sie entfremden sich von ihrer Arbeit. Dem gilt es entgegenzuwirken. Durch Verbindlichkeit, Planbarkeit und Verlässlichkeit für die Situation eines Berufsanfängers, der als Einstieg von seinem sozialen Umfeld getrennt wird. Für die Menschen, die eine Familie gründen wollen. Für die Menschen in einer Pflegesituation. In jeder Lebensphase geht die Erwartung an ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Leben. Niemand ist es gleichgültig, ob er seine berufliche Arbeit nur erträgt oder als positiven Teil seines Lebens empfindet und mit Befriedigung gestaltet. Verbindlichkeit, Planbarkeit, Verlässlichkeit sind Gegengewichte zu Anforderungen und Belastungen. Sie gelten für den Berufseinstieg, Berufsverlauf, Aufstiegschancen und Verwendungen. Diese drei Elemente müssen die Kultur im Umgang mit den Menschen in der Bundespolizei prägen. Diese Elemente sind Ausdruck für das Soziale. Den Umgang mit den sozialen Folgen prägen die Menschen in unserer Arbeitswelt. Verbindlichkeit, Planbarkeit, Verlässlichkeit verknüpfen die Bedürfnisse der Beschäftigten unter Berücksichtigung der dienstlichen Erfordernisse. Diese Elemente sind Ausdruck für das Soziale und bestimmen die Qualität der Fürsorge. Sie gewährleisten die Lebensinhalte der Menschen. Mit ihnen können das Private und Berufliche in Einklang gebracht werden. Sie interpretieren die „Fürsorge“ zeitgemäß für die Gegenwart. Sie sind Maßstab für die soziale Sicherheit über die Arbeitsplatzgarantie hinaus. Eine gelungene Verbindung aus beruflichem Einsatz mit den Vorstellungen zur Gestaltung eines erfüllten Privatlebens rückt bei den Menschen immer mehr in den Vordergrund. Nachhaltiges Handeln erfordert für die Organisation der Bundespolizei, dass die sozialen Folgen von Arbeitsabläufen für die Menschen abgeschätzt und auf ihre Wirkung hin überprüft werden müssen.
Verbindliche Arbeitszeitmodelle, planbare Verwendungsverläufe, verlässliche Aufstiegsmodelle, Entwicklung der Personalkultur, – so heißen die Herausforderungen. Unser gesetzlicher Auftrag wird auch nicht abstrakt erledigt. Polizeiarbeit ist die Arbeit von Menschen an Menschen. Sie wollen keine Schlagworte. Sie wollen Konkretes.