Die Zerschlagung der freien Gewerkschaften und der Beamtengewerkschaften im Nationalsozialismus
Die freien Gewerkschaften
Berlin, Ende April 1933: Sitzung des "Aktionskomitees zum Schutz der deutschen Arbeit - Vorbereitung zur Gleichschaltung der Gewerkschaften / Ullstein Bilderdienst
In der Weimarer Republik hatten die freien Gewerkschaften, die die Arbeiter organisierten, insbesondere seit Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929, eine empfindliche Schwächung hinzunehmen.
Durch den Lohn- und Sozialabbau der frühen 30er Jahre waren die Mitgliederzahlen deutlich zurückgegangen. Vertraten sie 1929 noch 5,3 Millionen Beschäftigte, waren es 1932 nur noch 3,9 Millionen. Ihre Widerstands- und Protestmöglichkeiten, besonders das Druckmittel des Generalstreiks, wurden zusätzlich dadurch beschnitten, dass fast die Hälfte der Mitglieder – nämlich 44 Prozent - arbeitslos waren. Weitere 20 Prozent waren in Kurzarbeit beschäftigt und boten daher ebenfalls kaum Potenzial um durch Streiks politischen Einfluss zu nehmen. Mit wachsender Besorgnis verfolgten die Gewerkschaftler die zunehmenden Erfolge der NSDAP seit den Reichstagswahlen von 1930. Gespräche zwischen den Gewerkschaften, der SPD und der KPD über die Möglichkeiten einen gemeinsamen Abwehrkampfes gegen die Nationalsozialisten und ihren Schlägertrupp, die SA, führten zu keinem Ergebnis. Zu groß waren die Differenzen und die Bedenken, insbesondere gegen die Beteiligung der Kommunistischen Partei.
Besetzung der Gewerkschaftshäuser am 2.5.1933 / Ullstein Bilderdienst
Das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ war als Schutztrupp gegen die Versuche der politischen Extremen, die Regierung der Weimarer Republik zu stürzen, gegründet worden. Im Straßenkampf konnte es jedoch gegen die Truppen der SA und des „Stahlhelms“ nicht bestehen.
Als sich im Herbst 1932 die wirtschaftliche Lage zu entspannen begann und die NSDAP bei den Reichstagswahlen erstmals seit 1930 leichte Rückschläge einstecken musste, atmeten die Gewerkschaften des „Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes“ (ADGB) – dem Dachverband der freien Gewerkschaften – wieder auf. Streikwellen gegen den Lohnabbau kennzeichneten die Herbstmonate dieses Jahres. Doch es sollte nur eine kurze Atempause werden. Als am 30. Januar 1933 Reichspräsident von Hindenburg Adolf Hitler, den Führer der nationalsozialistischen Partei, zum Kanzler ernannte, reagierten die Gewerkschaften entsetzt.
Der ADGB rief seine Mitglieder jedoch zur Besonnenheit auf. Immer noch vertraute man darauf, dass die Regierung Hitler sich schnell selbst überleben würde; im Notfall aber durch die geballte Kraft der Gewerkschaftsorganisationen aufgehalten werden könne. Währenddessen gingen die Straßenkämpfe weiter. Die SA, nun gänzlich ungezügelt, ging offen gegen die ihnen verhassten Mitglieder der linken und sozialdemokratischen Parteien sowie Gewerkschaftsmitglieder vor. Der Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 gab der NSDAP schließlich den erhofften Vorwand, die KPD zu verbieten. Der ADGB erklärte daraufhin, in der Hoffnung dadurch das Überleben der Organisation sichern zu können, seine politische Neutralität.
Am 1. März kam es in Bitterfeld zu der ersten Besetzung eines Gewerkschaftshauses durch SA Truppen. Der 1. Mai, den Hitler zum „Tag der nationalen Arbeit“ ausgerufen hatte, wurde von den Nationalsozialisten unter Beteiligung des ADGB mit großem Pomp gefeiert. Doch schon einen Tag später kam es zu einem umfassenden und von langer Hand geplanten Schlag gegen die Gewerkschaftsbewegung.
Die SA besetzt das Münchener Gewerkschaftshaus am 2.5.1933 / bpk/Kunstbibliothek, SMB/Willy Römer
Der preußische Innenminister Göring bereitet die Polizei auf die geplante Aktion vor, indem er am Morgen des 2. Mai die Weisung gab, sich in das Geschehen nicht einzumischen.
Überall in Deutschland wurden die Gewerkschaftshäuser besetzt, deren Funktionäre und Mitarbeiter verhaftet und ihre Vermögenswerte beschlagnahmt. Die Operation, durchgeführt von dem„Aktionskomitee zum Schutz der Deutschen Arbeit“ unter der Leitung von Robert Ley, löschte die freie Gewerkschaftsbewegung mit einem Schlag aus.
Hermann Schlimme, Vorstandsmitglied des ADGB berichtete über die Besetzung des Berliner Gewerkschaftshauses:
Die Arbeiterschaft wurde in der Folge von den Nationalsozialisten in der am 24. Juni 1933 gegründeten „Deutschen Arbeitsfront“ gleichgeschaltet. Die Leitung übernahm Robert Ley, der schon bei der Zerschlagung der Gewerkschaften federführend gewesen war.
Besetzung der Gewerkschaftshäuser am 2.5.1933 / Ullstein Bilderdienst
Die Dachverbände der Beamtengewerkschaften – Deutscher Beamtenbund (DBB) und Allgemeiner Deutscher Beamtenbund (ADB)
Schlagzeile des "Berliner Börsen-Couriers" vom 2.5.1933 / Ullstein Bilderdienst
Die großen Dachverbände der Beamtengewerkschaften, der „Deutsche Beamtenbund“ (DBB) und der „Allgemeine Deutsche Beamtenbund“ (ADB), standen ebenso wie die Arbeitergewerkschaften in grundsätzlicher ideologischer Opposition zur NSDAP. Ihre Strategien nach der Machtergreifung fielen jedoch sehr unterschiedlich aus.
Der DBB, in dem unter anderem auch der Schrader-Verband organisiert war, befand sich zu Beginn des Jahres 1933 in einem geschwächten Zustand. Innere Kämpfe in den vergangenen Jahren hatten dazu geführt, dass die größte Spitzenorganisation der Beamten kaum mehr in der Lage war, als Interessenvertretung aktiv zu werden. Während sie in den ersten zwei Monaten des neuen Jahres in ihren Beschlüssen und Erklärungen noch eine deutliche Distanz zu den Nationalsozialisten an den Tag legten, wendete sich das Blatt nach dem Reichstagsbrand im Februar. Schon am 15. März 1933 sicherte der DBB seine Mitarbeit am „nationalen Wiederaufbau“ zu. Die NSDAP übernahm in der Folge den Spitzenverband und nutzte seine Organisationsstruktur zur Gleichschaltung der in ihm vereinten Verbände. Dabei stießen sie nur bei dem „Reichsverband Deutscher Post- und Telegraphenbeamter“ und dem „Verband Preußischer Polizeibeamter“, beides Organisationen mit einer starken republikanischen Tradition, auf nennenswerten Widerstand. Der DBB wurde abgelöst durch den nationalsozialistischen „Reichsbund der Deutschen Beamten“ (RDB), der am 1. Januar 1934 die Arbeit aufnahm.
Der „Allgemeine Deutsche Beamtenbund“, mit seiner freigewerkschaftlichen und antifaschistischen Tradition, nahm indessen einen Abwehrkampf gegen die Nationalsozialisten auf. In seiner Zeitschrift, der „Allgemeinen Deutschen Beamtenzeitung“ (ADBZ), wandte er sich deutlich gegen die NSDAP und verteidigte die Rechte der Beamten auf Gesinnungs- und Vereinigungsfreiheit. Die Berichterstattung in der ADBZ stellte für die Nazis eine offene Provokation dar. Zwar stand auch der ADB zu seinem parteineutralen Grundsatz, warnte aber ausdrücklich vor den Gefahren, die von einer Regierung ausgingen, deren verfassungstreue mehr als zweifelhaft war. Nach ihrem Wahlerfolg bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 verbot die NSDAP das weitere Erscheinen der ADBZ. Im selben Monat rollte eine Austrittswelle einzelner Mitgliederverbände über den ADB. Dieser beschloss als Reaktion und um sich dem Missbrauch seiner Organisation durch die Nazis zu entziehen, am 3. April 1933 seine Selbstauflösung, die auf einem außerordentlichen Bundeskongress am Ende des Monats umgesetzt wurde.
Zahlreiche Gewerkschaftsfunktionäre beider Beamtenorganisationen waren im NS-Staat massiver Verfolgung ausgesetzt. Nicht anders als die Vertreter der freien Gewerkschaftsbewegung wurden auch sie verhaftet und verschleppt.
Berlin, 1933: SA-Mann mit verhafteten politischen Gegnern / Süddeutsche Zeitung Photo
Quellenangaben:
2 Zitiert nach Erb S. 235
Quellen:
Erb, Dirk (2001): Gleichgeschaltet. Der Nazi-Terror gegen Gewerkschaften und Berufsverbände 1930 bis 1933 ; eine Dokumentation. 1. Aufl. Göttingen: Steidl.
Gniesmer, Friedrich (1980): Der Weg zur und mit der GdP. In: A. Dietel (Hg.): Die deutsche Polizei. Ihre Geschichte, ihre Gewerkschaft, Daten, Fakten Meinungen ; 1950 - 1980 ; 30 Jahre Gewerkschaft der Polizei. Hilden.
Leßmann, Peter (1989): Die preußische Schutzpolizei in der Weimarer Republik. Streifendienst und Straßenkampf. Düsseldorf: Droste.
Schütz, Dieter (1992): Zwischen Standesbewußtsein und gewerkschaftlicher Orientierung. Beamte und ihre Interessenverbände in der Weimarer Republik
Volquardts, Elisabeth (2001): Beamtenverbände im Nationalsozialismus. Univ, München, Kiel.