GdP-Thesen zum Scholz-Papier:
Polizei muss Sicherheitsanspruch der Bürger erfüllen
Prof. Dr. Rupert Scholz, Verfassungsrechtler und Vorsitzender des Bundestags-Rechtsausschusses, hat in diesem Papier weitreichende Vorschläge gemacht, um die Berliner Polizei trotz einer Haushaltskürzung zwischen 1991 und 2000 um 54 Prozent zu befähigen, die innere Sicherheit in der deutschen Hauptstadt zu gewährleisten. Die GdP bezweifelt, dass mit den dort vorgelegten Vorschlägen dieses Ziel zu erreichen ist.
Das "Scholz-Papier" ist zwar nur für die Berliner Polizei geschrieben, doch sind viele dieser Vorschläge für die übrigen Polizeien von Bund und Ländern gleichermaßen von Bedeutung. Sie sind ein bezeichnender Beleg für eine rein an ökonomischen Kriterien ausgerichtete Sicherheitspolitik.
Angesichts der derzeitigen Sicherheitslage nimmt die GdP das "Scholz-Papier" zum Anlass, um eine dringende Mahnung an die Innenpolitiker in Bund und Ländern zu richten:
Die Gewährleistung der inneren Sicherheit ist eine stetige Aufgabe - sie verträgt keine Schwankungen nach Haushaltslagen, sie hat immer Konjunktur.
Die wesentliche Botschaft der GdP lautet:
Die Polizei muss den Sicherheitsanspruch der Bürger erfüllen.
1. Sicherheit als Staatsaufgabe
In Sicherheit zu leben, ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Aufgabe der Politik ist es, den Grundbedürfnissen der Menschen zu entsprechen. Daran fehlt es. Die Politik von Bund und Ländern - das Scholz-Papier ist hierfür nur ein, wenngleich gewichtiger Beleg - ist auf dem besten Wege, das Thema innere Sicherheit ähnlich zu behandeln wie die Alterssicherung:
Der Staat gewährt eine Grundsicherung - wer mehr will, soll sich privat darum kümmern.
Die GdP warnt:
Wer nur die Grundsicherung gewährt, gefährdet den Rechtsstaat.
Das Szenario der inneren Sicherheit sieht dann in Zukunft wie folgt aus:Die staatliche Polizei ist nur noch für die Bekämpfung der ganz schweren Kriminalität zuständig. Massendelikte wie Einbrüche? Schutz vor Diebstahl? Dafür gibt es private Sicherheitsdienste, die ganze Wohnviertel bestreifen und schützen. Das muss man natürlich extra bezahlen.
Der große Rest der Bevölkerung, der sich monatliche Schutzgebühren zwischen 60 und 100 DM nicht leisten kann und ihn Mietshäusern wohnt, bleibt sich selbst überlassen.
Was passiert? Der Mensch holt sich das, was er für sein Recht hält, selbst - oder er verzichtet auf sein Recht. Beides ist gleich schlimm. Es ist das Ende des Rechtsstaats. Es ist der Rückfall ins tiefe Mittelalter - in die Zeit vor 1495. Rechtskundige kennen dieses Datum:
Damals verkündete Kaiser Maximilian den "Ewigen Landfrieden". Damit ging die Zuständigkeit der Streitschlichtung auf den Staat als neutrale Instanz über, das Faustrecht war überwunden.
Nur Grundsicherung ist nicht verfassungsgemäß.
Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat, Sicherheitsleistungen für den Bürger im Rahmen der Daseinsfürsorge in lebenswichtigen Bereichen andauernd zu sichern. Die Verpflichtung zur Sicherheitsgewährung für den Bürger durch den Staat ergibt sich auch aus dem EU-Vertrag; die Einigung gem. Art. 2 i.V.m. Art. 61 EU-Vertrag auf die Schaffung eines einheitlichen Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bedeutet eine rechtliche Bindung der Mitgliedsstaaten zur Selbst-Wahrnehmung der damit verbundenen Aufgaben.
Das Grundgesetz enthält in Art. 33 Absatz IV praktisch ein Privatisierungsverbot. Es heißt dort nämlich, dass die Ausübung hoheitlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen sind, die in einem öffentlich rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Die praktisch exklusive Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse durch Amtsträger entspricht der Bedeutung der mit dieser Tätigkeit verbunden möglichen Grundrechtseingriffe:
2. GdP: Sicherheit hat Priorität
Der Rückgang der finanziellen Ressourcen hat einen sehr spannenden Prozess ausgelöst. Landauf, landab hat man Zuflucht gesucht bei Unternehmensberatungsfirmen, um zu erfahren, wie man Sicherheit billiger haben kann. Herausgekommen ist ein neuer Begriff: das "Produkt Sicherheit".
Das ist entlarvend.
Diese Formulierung degradiert den Grundanspruch des Menschen, in Sicherheit leben zu können, zu einer Ware, zu einem Angebot, das von der jeweiligen Kassenlage des Staates abhängig ist.
Die GdP erklärt demgegenüber: Sicherheit hat Priorität.
Es geht
1. um die Aufgabenerfüllung für Öffentlichkeit und Bürger,
2. um eine entsprechende Bewertung des Polizeidienstes und der damit verbundenen Verwaltungsdienste,
3. um eine Personalstärke der Polizei, für die man sich nicht auch noch ständig gegenüber dem Bürger entschuldigen muss - Zitat: "Tut mir leid, wenn Sie eine Stunde auf den Streifenwagen warten müssen, wir haben aber momentan nur einen im Einsatz!"
4. um die Beachtung von Wirtschaftlichkeit - dies unter Beachtung der schlichten Tatsache, dass es schließlich das Geld des Steuerzahlers ist, das ausgegeben wird.
3. Für die polizeiliche Aufgabe gibt es keine mathematische Messlatte
Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird - will sagen: eine neue Untersuchung zu Organisationsstraffung und Effizienzsteigerung bei den Polizeien der Länder und des Bundes gestartet wird. Ohne derlei Vorhaben pauschal zurück zu weisen, muss angemerkt werden:Nicht nur Spötter in der Polizei sagen, dass derlei Untersuchungen inzwischen mehr Personal binden als der eigentliche Auftrag, für die Sicherheit der Bürger zu sorgen.
Solche Untersuchungen können ihrer Natur nach gar nicht anders als nach Messgrößen für Effizienz zu suchen bzw. wo es keine gibt, solche zu erfinden. Nicht zum ersten Mal erklärt die GdP:
Polizeiliche Arbeit lässt sich nicht umfassend an mathematischen Größen messen.
Selbst Bundesinnenminister Otto Schily hat erklärt:
"Sicherheit ist ein Wert jenseits rein ökonomischen Kalküls".
Beispiele:
- Aufnahme von Bagatellschadensunfälle
Unfälle mit Bagatellschäden sind ein Mengenproblem. Sie machen z.B. in Berlin ca. 87 Prozent aller Verkehrsunfälle aus. Die Aufnahme solcher Unfälle privaten Unternehmen zu übertragen, weil man sie für unterhalb der Würde der Polizei hält oder die Polizei für diese Aufgabe als zu teuer empfindet, irrt in beiden Punkten.
Für den betroffenen Bürger sind das nämlich keine Bagatellen, sondern in diesem Moment seine größten Sorgen. Wenn dann die Polizei abwinkt, ist die Botschaft fatal: ausgerechnet dann, wenn ein Bürger einmal nach der Polizei ruft, weil er sie für eine effiziente und neutrale Schlichtungsinstanz hält, dann soll er in dieser Erwartung enttäuscht werden?
- Die Polizei kann auf kaum einem anderen Gebiet so leicht und einfach einen Imagegewinn von unschätzbarem Wert einfahren
- Es schädigt das allgemeine Rechtsgefühl beträchtlich, wenn Rücksichtslosigkeit oder Trunkenheit im Straßenverkehr ungesühnt bleibt, wenn es zu einem Unfall gekommen ist und die Polizei nicht kommt - dasselbe Verhalten aber unnachsichtig bestraft wird, wenn man von einer Polizeistreife erwischt wird, ohne dass es zu einem Unfall gekommen ist.
- Die Aufgabe der Polizei zur Reduzierung von Verkehrsunfällen, also die Vermeidung von Toten, Verletzten und erheblichen Sachschäden, wird hinsichtlich des Erkennens von Unfallhäufungspunkten erheblich erschwert; ohne Auswertung von Bagatellschadensunfällen müssten achtmal so viele sonstige, also in ihren Folgen erheblich schwerere, Unfälle geschehen, um eine vergleichbare statistische Basis für polizeiliche Verkehrsüberwachungsmaßnahmen zu liefern.
- Gerade bei der Aufnahme von Bagatellschadensunfällen stößt die Polizei durch Zufall auf andere Straftaten (z.B. Alkoholfahrten)
- Fußstreifen / bürgernahe Polizei
Das Polizeipräsidium München hat eine Wirkungs- und Kausalanalyse des Auftretens und Verhaltens polizeilicher Fußstreifen durchgeführt. Wesentliches Ergebnis: Sie stärken in erheblichem Maß das Sicherheitsgefühl der Bürger. 92 % der befragten Bürger stimmten der Aussage zu, die Fußstreifen vermittelten ein Gefühl von Sicherheit. Das mag im Verhältnis zur tatsächlichen Sicherheitslage eine naive Haltung sein, ist aber gleichwohl von erheblicher Bedeutung, weil es der Kriminalitätsfurcht entgegen wirkt.
Zwei Erkenntnisse sind wichtig:
1. Die Mehrzahl der Kontakte zwischen Bürgern und Fußstreifen gestaltete sich positiv. Die meisten Kontakte verliefen, soweit es um Maßnahmen ging, folgenlos.
2. Die Fußstreifenbeamten sehen das Verhältnis zum Bürger ähnlich positiv, spüren aber den Druck der "Kosten-Nutzen-Analyse": Tätigkeiten nutzen der Karriere. Dem partnerschaftlich-bürgernahen Wunschbild steht der "Zettel-Druck" entgegen.
Ergebnis solcher Einschätzungen - nicht nur aus München: wenn die "Kasse" nicht stimmt, lohnt sich die Fußstreife nicht.
Dabei sind alle diese vermeintlich lästigen bzw. nur als kostenträchtig diffamierten Aufgaben nicht nur für die Polizei, sondern für den Rechtsstaat und die innere Sicherheit insgesamt von entscheidender Bedeutung. So wird nämlich das Vertrauen zwischen Bürgern, Öffentlichkeit und Polizei gestützt.
Dieses Vertrauen wiederum ist für die gesamte Polizeiarbeit von entscheidender Bedeutung. Wenn die Bürger sich mit ihrer Polizei identifizieren, sind sie auch bereit, mit Tipps und Hinweisen zu helfen. Ohne die geht es aber nicht. Unter Kriminalisten gibt es eine seit vielen Jahren gefestigte Erkenntnis:
Die Polizei kann aus eigener Kraft, also ohne entsprechende sachdienliche Hinweise aus der Bevölkerung, nicht einmal zehn Prozent der bekannt gewordenen Straftaten aufklären. Das heißt: vier Fünftel der aufgeklärten Straftaten klärt im Grunde der Bürger selbst auf.
Nicht dass jetzt diejenigen, die polizeiliche Arbeit am liebsten auf eine rein betriebswirtschaftliche Rechengröße reduzieren wollen, sich jetzt bestätigt fühlen!
Nein, die Qualität polizeilicher Arbeit beweist sich darin, aus der Vielzahl der Bürger-Hinweise den Ermittlungserfolg herzuleiten - und dafür bedarf es hoher fachlicher Kompetenz.
4. Mehr Personal für die Polizei
Die grundsätzliche Frage ist, wie sich die Sicherheitslage in Zukunft entwickeln wird. Hierzu die folgenden Prognosen:
1. Die terroristische Bedrohung ist keine schnell vorüber gehende Zeiterscheinung. Die Dimension weist vielmehr auf eine buchstäblich weltumspannende und daher die Bundesrepublik Deutschland keineswegs aussparende anhaltende Gefährdung der inneren Sicherheit auf Dauer hin. Dies bedeutet, dass sich die Polizeien der Länder und des Bundes personell, materiell und organisatorisch auf eine erhebliche Mehrbelastung einstellen müssen. Die derzeitige provisorische Lösung, den sprunghaft gestiegenen Personalbedarf für Objekt- und Personenschutz, Ermittlungen und Fahndungen durch Schwächungen mit Sicherheitsverlusten an anderer Stelle zu decken, muss möglichst schnell beendet werden.
2. Die demografischen Daten belegen, dass die deutsche Wohnbevölkerung immer älter wird. Die Lebenserwartung steigt, hingegen bleibt die Geburtenrate auf dem bisherigen niedrigen Niveau stabil. Somit steigt das Durchschnittsalter der Bevölkerung. Also wird es in zehn Jahren weniger Menschen im sogenannten kriminalitätsaktiven Alter geben. Die Zahl der registrierten Gesamtkriminalität wird auf dem derzeitigen hohen Niveau stagnieren bzw. leicht zurückgehen.
Aber:
Die Migrationsbewegung und die Osterweiterung der EU mit ihrer Freizügigkeit und der freien Wahl des Arbeitsplatzes werden besonders junge aktive Menschen anlocken, die die vergleichsweise deutlich besseren wirtschaftlichen Bedingungen für sich zu nutzen versuchen. Der Schutz der EU-Außengrenzen wird aufgrund völlig anderer geografischer Bedingungen nicht in dem Maße zu garantieren sein, wie es bisher Standard ist. Dies heißt, dass es ein größeres Ausmaß an illegalen Personen- und Warentransporten geben wird. Der Schmuggel wird blühen.
Illegale Zuwanderung bedeutet zugleich, dass der Lebensunterhalt kaum anders als ebenfalls illegal zu bestreiten sein wird - und dies angesichts einer Altersgruppe, die vor allem dem kriminalitätsaktiven Bereich angehört.
3. Der europäische Integrationsprozess hat Einfluss auf die künftige Entwicklung der Sicherheitslage. Es genügt nicht, nur im Kontext eines Bundeslandes oder der Bundesrepublik Deutschland polizeilich zu denken. Die Europäische Union muss nicht nur als gemeinsamer politischer, wirtschaftlicher und sozialer Raum gesehen werden, sondern auch als gemeinsamer kriminalgeografischer und verkehrsgeografischer Raum.
In den Sinnzusammenhang mit der EU einschließlich ihrer Erweiterung, letztlich mit der weltweiten Globalisierung, gehört weiter der Gesichtspunkt internationaler Verflechtungen der Kriminalität, gerade was den OK-Bereich angeht. Schon aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen sind die Grenzen zwischen legaler und illegaler wirtschaftlicher Tätigkeit unscharf, weil nationales Recht mit Leichtigkeit unterlaufen werden kann. Die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie tut ein übriges, um das Entstehen und Unterhalten ganzer krimineller Netzwerke zu begünstigen. Hinzu treten völlig neue Kriminalitätsformen wie z.B. die Nutzung des Internet zur Verbreitung strafbarer Inhalte.
4. Polizeieinsätze werden immer gigantischere Ausmaße annehmen. Daran ist die nationale Politik, aber auch die EU sowie die internationale Politik einschließlich der Globalisierung Schuld.
Mittlerweile ist die Zahl von 30.000 Polizistinnen und Polizisten schon "normal", wenn vom Polizeischutz für Castor-Transporte die Rede ist.
Was bedeutet diese Zahl?
30.000 - das ist mehr als das Dreifache, was Dänemark überhaupt an Polizistinnen und Polizisten aufzubieten hat.
30.000 - das ist keine Reserve; sie werden bundesweit zusammengesucht, also von anderen Aufgaben abgezogen. Diejenigen, die zurück bleiben, machen dafür 12-Stunden-Dienste, damit wenigstens noch ein Rest an Polizeipräsenz übrig bleibt. Am Ende stehen Berge von Millionen von Überstunden, was wiederum von der täglichen Präsenz auf der Straße abgeht.
Und dann die EU-Ebene. Da soll eine 5.000 Mann starke Polizei-Einheit für internationale Kriseneinsätze aufgebaut werden. Das ist eine wichtige Aufgabe. Nur: wer derlei Verpflichtungen eingeht, muss auch dabei sagen, woher er das Personal nehmen will. Selbst wenn die 5.000 Polizistinnen und Polizisten nicht ständig in Bereitschaft gehalten werden sollen, bedeutet es gleichwohl einen erheblichen Personalaufwand, um Auswahl, Ausbildung und Training ständig vorzuhalten. Das geht zu Lasten der nationalen Polizeistärke.
Kaum gab es durchaus ernste Probleme bei den Polizeieinsätzen zum Schutz des EU-Gipfels in Göteborg und des G8-Gipfels in Genua, da wurde die Forderung nach einer EU-Anti-Krawall-Polizei laut. Abgesehen von fehlenden gemeinsamen Rechtsgrundlagen, einheitlicher Führung und demokratischer Kontrolle stellt sich eine Frage: Woher nehmen, wenn nicht stehlen, wenn's ums Personal geht?
Dem Thema EU-Anti-Krawall-Polizei folgte in diesem Sommer die Forderung nach einer EU-Grenzpolizei. Auch hier die Frage: woher nehmen wir das Personal?
Ein Hinweis noch auf ein ganz heikles Politikfeld. Nach Außenminister Fischers Nahost-Mission im September 2001 war von einem möglichen Treffen zwischen Arafat und Peres in Berlin die Rede. Und schon machte eine Zahl die Runde: mindestens 6.000 Polizistinnen und Polizisten zusätzlich nach Berlin!
Selbst wenn aus dem Treffen und somit aus dem Einsatz nichts wurde, wird der von der Politik geleugnete Automatismus deutlich: Immer häufiger sind politische Termine und Veranstaltungen so heikel, dass sie nur unter erheblichem Polizeiaufwand stattfinden können.
Das führt ganz konkret dazu, dass der Bürger Sicherheitseinbußen zugunsten solcher politischer Ereignisse hinnehmen muss. Anlässlich des Staatsbesuchs von Russlands Präsident Putin Ende September 2001 in Düsseldorf mussten Polizeiwachen geschlossen werden, um genügend Kräfte für die Gewährleistung der Sicherheitsstufe I zur Verfügung zu haben.
Dies alles sind nämlich keine Einzelereignisse, die man bei der Personalberechnung außen vor lassen könnte.
Man muss nur zweierlei Entwicklungen miteinander in Verbindung bringen:
- Es gibt internationale gesellschaftliche Prozesse, auf die die etablierte Politik keine Antwort weiß, bestenfalls seit Jahren um Antworten ringt, aber nicht "zu Potte kommt". Hierzu zählen illegale Einwanderung, Migrationsbewegungen überhaupt sowie erhebliche Unzufriedenheit und Ängste im Zusammenhang mit wirtschaftlicher Entwicklung und Globalisierung.
- Immer dann, wenn Politik keine Antworten weiß, ist die Polizei an der Reihe, das ist ein alter Hut. Wenn aber die beschriebenen Konflikte in der Zukunft weiter zunehmen, dann wird deutlich mehr Polizei benötigt. Um den Deckel auf dem Topf zu halten, also die Sicherheit zu gewährleisten, kann man doch nicht EU-weit Personal bei der Polizei abbauen.
5. Ein ganz heikles gesellschaftliches Phänomen müssen wir endlich als Sicherheitsproblem begreifen: die zunehmende Anonymisierung der Gesellschaft. Man wird sich immer fremder, parallel hierzu nehmen traditionelle Formen der informellen sozialen Kontrolle ab, wie etwa in der Familie oder in der Nachbarschaft. Ein weiterer Faktor ist die stetige Zunahme an Single-Haushalten. Was heißt das für die Polizei?
Die Neigung und die Fähigkeit der Bürger, Konflikte untereinander zu regeln, wird immer mehr zurückgehen - aber die Konflikte selbst werden häufiger. Was ist die Folge? Die Polizei wird immer mehr gefragt sein, und zwar als Moderator, als Streitschlichter.
Fazit:
Wir brauchen in Zukunft mehr Personal bei der Polizei.
Und:
Alte Zahlenspiele haben längst ihre Gültigkeit verloren.
Im Sicherheitsprogramm der Innenministerkonferenz von 1972 wurde erstmals ein Schlüssel festgelegt, nach dem der Bedarf an Polizeikräften errechnet wurde. Das war die sogenannte Polizeidichte (1 Polizist zu 420 Bürgern). Im Grunde war diese Verhältniszahl schon damals eine willkürliche Festlegung. Heute, nach fast 30 Jahren, ist sie von den Realitäten der inneren Sicherheit weiter entfernt denn je.
Die Polizei ist heute über neue Aufgaben und neue Dimensionen bisheriger Aufgaben weit mehr belastet. Einige wichtige Felder wachsender Aufgaben für die Polizei sind bereits aufgezählt. Hinzu kommen weitere:
Diesem erheblichen Aufgabenzuwachs steht ein seit Jahren andauernder Personalabbau bei der Polizei gegenüber. Seit 1997 ist die Zahl der Planstellen bei der Polizei von Bund und Ländern um ca. 3.000 zurück gegangen.
Es ist entlarvend, dass nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 Politiker, die sich zuvor für Personaleinsparungen und Privatisierung stark gemacht haben, den Mangel erkennen und aus der Not heraus nach dem Einsatz der Bundeswehr im Innern rufen.
Die GdP stellt zum Verhältnis Polizei und Bundeswehr fest:
- Die Anschläge in New York City und Washington haben dem internationalen Terrorismus eine neue Dimension gegeben. Eine Antwort darauf darf sich nicht darin erschöpfen, im Sinne einer erfolgreichen Terrorismusbekämpfung in militärischen Kategorien zu denken.
- Terrorismusbekämpfung ist eine polizeiliche Aufgabe, die vor allem kriminalistische Fähigkeiten verlangt.
- Die Bundeswehr kann mangels rechtlicher Befugnisse und entsprechender Ausbildung bei der derzeitigen polizeilichen und kriminalistischen Arbeit zur Aufklärung der Terroranschläge keine Hilfestellung leisten.
- Wenn sich im konkreten Fall herausstellt, dass der Polizei für ihre Arbeit Mittel fehlen, über die die Bundeswehr verfügt, bietet das Institut der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 2 des Grundgesetzes hierfür alle Möglichkeiten.
- Angesichts der Personallage der Bundeswehr sind Überlegungen, die Bundeswehr für Aufgaben des Objektschutzes hinzu zu ziehen, nicht realistisch. Es sollte allerdings geprüft werden, ob die Bundeswehr, neben der Verstärkung der Sicherung eigener Einrichtungen, nicht auch zum Schutz von Einrichtungen der NATO-Streitkräfte beitragen könnte.
- Verbessert und intensiviert werden sollte der Kontakt zwischen Polizei und Bundeswehr, um den aktuellen Informationsstand über die Sicherheitslage zu gewährleisten.
- Die notwendige Verbesserung der Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten muss den Militärischen Abschirmdienst (MAD) einschließen.
5. Im Vergleich zu Privaten ist Polizei besser und billiger
Nicht nur, aber auch das Scholz-Papier propagiert eine weitreichende Privatisierung, entweder von Tätigkeiten bzw. Dienstleistungen der Polizei selbst, oder von Teilen polizei-interner Hilfs- oder Unterstützungsleistungen wie Datenverarbeitung, Werkstätten, Küchen- und Reinigungsdienste usw.
.Beides ist keine Lösung.
1. Derlei Privatisierungen führen nicht zum Wegfall von Kosten, bestenfalls zu deren Verlagerung, nämlich vom Personal- in den Sachhaushalt. Nach der Ideologie von Unternehmensberatungen sind Personalausgaben "schlecht", Sachausgaben hingegen "gut" - auch wenn sich dahinter umgeschichtete Personalausgaben verbergen.
2. Die angebliche Kostengünstigkeit privater Anbieter gegenüber dem öffentlichen Dienst beruht häufig auf Lohndumping und der Aufteilung von Vollzeitarbeitsplätzen auf "630 DM - Jobs". Ein Tarifvergleich ergibt, dass beispielsweise der Tariflohn im privaten Bewachungsgewerbe nicht geringer ist als der Tariflohn gemäß BAT. Daher fordert die GdP: Keine Verlagerung von Aufgaben an private Bewachungsunternehmen, sondern Aufgabenwahrnehmung durch gut ausgebildete Angestellte in der Polizei.
3. Die vermeintliche Kostengünstigkeit privater Anbieter beruht vielfach auf einer qualitativ geringwertigeren Leistung. So stehen private Kfz-Werkstätten nur im Rahmen ihrer Geschäftszeiten zur Verfügung, während polizeieigene Einrichtungen bei Bedarf jederzeit zur Verfügung stehen, auch an Wochenenden oder zur Nachtzeit.
Vor vier Jahren ist die Dienstkleidungsversorgung bei der bayerischen Polizei privatisiert worden. Das private Unternehmen hat "das Handtuch geworfen" überdies war der Service für die Polizeibeamtinnen und Beamten völlig unbefriedigend. Der neue private Vertragspartner ist nicht besser: es hagelt täglich Beschwerden.
Dass Privatisierung keineswegs automatisch besser und billiger ist, belegt auch das Beispiel der Flugbereitschaft der Luftwaffe: bei der europaweiten Ausschreibung stellte sich heraus, dass "eine zivile Vergabe mit Leistungseinschränkungen verbunden ist". Grund: Das derzeitige Leistungsspektrum der Flugbereitschaft der Luftwaffe, also sieben Tage rund um die Uhr, ist - Zitat - "auf dem zivilen Markt bezahlbar nicht erhältlich".
4. Grundsätzlich führt die Privatisierung von bislang von der Polizei wahrgenommenen Aufgaben wie z.B. der Aufnahme von Bagatellschadensunfällen zu einer Niveauverschlechterung des Grundrechtsschutzes, weil der Staat nicht unmittelbar haftbar zu machen ist, sondern erst den Grundrechtsschutz durch eigenes Tätigwerden gegenüber dem Privaten Auftragnehmer wiederherstellen muss.
5. Die Forderung der GdP nach einer Wieder-Verstaatlichung der Fluggastkontrollen auf deutschen Flughäfen hat ihre Begründung darin, dass wegen der Bedeutung der Aufgabe für die Sicherheit des Luftverkehrs eine unmittelbare staatliche Verantwortung für die Aufgabenwahrnehmung geboten ist. Überdies hat die öffentliche Auftragsvergabe an den billigsten Anbieter zu einem "Lohndumping" mit Stundenlöhnen zwischen 10 und 13 DM geführt - ein nicht mehr zu verantwortendes Sicherheitsrisiko.
6. Zweigeteilte Laufbahn/Berufsbild Angestellte in der Polizei
Grundsätzliche Aufgabe der Polizei in einer Demokratie ist es, das gesellschaftliche "Klima" zu gewährleisten, in dem sich gesellschaftliche Prozesse aufgrund des notwendigen Dialogs aller Gruppen friedlich vollziehen können. Je komplizierter jedoch diese Prozesse in einer modernen Industriegesellschaft werden und je schneller sich die Rahmenbedingungen aufgrund der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen im nationalen und internationalen Zusammenhang ändern, umso höher werden die Anforderungen an den Polizeiberuf.
Zum allgemeinen gesellschaftlichen Anspruch an den Polizeiberuf treten ganz konkrete Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an die Dienstleistung "innere Sicherheit"; der Wunsch nach Sicherheit rangiert seit Jahren bei zahlreichen Meinungsumfragen in der Bevölkerung an vorderer Stelle. Immer komplexer werdende gesetzliche Regelungen und auch die technische Entwicklung mit ihren Auswirkungen auf den Polizeiberuf runden die Anforderungen ab.
Daher hat die GdP bereits 1972 den Anspruch formuliert, die Ausbildung des allgemeinen Polizeidienstes auf der Ebene des fachwissenschaftlichen Studiums an einer Fachhochschule anzusiedeln, an die sich für die Leitungsebene der Polizei ein Studium auf Hochschulebene anschließen soll.
Das ist die zweigeteilte Laufbahn der Polizei, die inzwischen in einigen Bundesländern weit fortgeschritten ist bzw. kurz vor ihrer Vollendung steht.
Kritiker unter Politikern in Bund und Ländern führen an, dass diese zweigeteilte Laufbahn zu Überqualifikation und überhöhten Kosten führt.
"Falsch!" sagt die GdP. Für den Polizeidienst ist es geradezu typisch, dass aus vordergründig unbedeutenden Vorgängen in Sekundenschnelle Vorgänge entstehen können, deren Bewältigung ein Höchstmass an theoretischem Wissen und praktischem Können sowie sozialer Kompetenz verlangt. Das Leben ist aber kein Video, dass man anhalten kann, bis entsprechend qualifizierte Kräfte eingetroffen sind.
Umgekehrt bedeutet zweigeteilte Laufbahn keineswegs, dass die Polizei alle Vorgänge, die sie aufgenommen hat, auch abarbeitet. Aus der Tatsache, dass die Polizei rund um die Uhr tätig ist, ergibt sich allzu oft ein erstes Tätigwerden für die eigentlich zuständigen Behörden und Institutionen. Da hat sich in den vergangenen Jahren ein schleichender Wandel vollzogen: weil die originär zuständigen Institutionen, häufig kommunale bzw. Landesbehörden, entweder an Wochenenden oder zur Nachtzeit nicht präsent sind oder nicht über eigene Vollzugskräfte verfügen, ist die Polizei in die Rolle der allzeit zuständigen Institution gedrängt worden.
Inzwischen wird bundesweit daran gearbeitet, zu den gesetzlichen Zuständigkeiten zurück zu kehren, d.h. die Polizei von der Wahrnehmung solcher im Grunde polizeifremden Aufgaben wieder zu entlasten. So verstanden ist die Konzentrierung auf eigene Aufgaben der Polizei zu begrüßen, zumal die Wahrnehmung von Aufgaben für andere Behörden und Institutionen Polizeipersonal der wichtigen Präsenz auf der Straße entzieht. Das hat Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl der Bürger.
Wenn es weniger Polizistinnen und Polizisten auf der Straße zu sehen gibt, liegt dies auch an einem von der Politik vernachlässigten Sinnzusammenhang: Es werden unbekümmert immer mehr Gesetze und Verordnungen produziert, ohne auf den damit verbundenen Vollzugsaufwand zu achten. Die Folge: die für die präventive Arbeit der Polizei zur Verfügung stehende Zeit tendiert praktisch gegen Null. Und noch eines: wer Sachkosten wie z.B. bei Inpol-Neu zu einer millionenschweren Fehlinvestition führt, hat hinterher kein Geld mehr für eine sinnvolle Personalbewirtschaftung.
Vorschläge der GdP für Lösungen:
Eine effektive Möglichkeit, mehr Polizei auf die Straße zu bringen, ist die vermehrte Einstellung und Aufgabenwahrnehmung durch Angestellte in der Polizei.
Zum einen befreien sie Beamtinnen und Beamte von nichthoheitlichen Aufgaben, zum anderen sind sie sofort vom regulären ersten Arbeitsmarkt zu bekommen, da sie die notwendige - qualifizierte - Ausbildung bereits mitbringen und allenfalls eine relativ kurze Einweisungszeit benötigen, die aber in keinem Verhältnis zur Dauer einer Ausbildung als Polizeibeamtin oder als -beamter steht. Hierbei geht es keineswegs um die Frage, wer die bessere Ausbildung hat, sondern die richtige und für die Aufgabenbewältigung notwendige! Wozu einen Polizeibeamten als Fotograf beschäftigen, wenn ein bereits ausgebildeter Fotograf direkt eingestellt werden könnte.
Die Polizei als Institution muss lernen und akzeptieren, dass es wirtschaftlicher und der Aufgabe dienlicher ist, bereits ausgebildete Angestellte zu beschäftigen als Beamtinnen und Beamte sich selbst zu überlassen, die sich mühsam autodidaktisch weiterbilden müssen. Dies gilt insbesondere für den IuK - Bereich. Damit einhergehen muss die Abkehr von der Kapitalisierung von Personal für die Beschaffung neuer Technik.
Das Argument der kurzfristigen Einsetzbarkeit spielt gerade jetzt bei der bestehenden Sicherheitslage eine große Rolle. Großsprecherische Ankündigungen von Politikern, Polizisten hundertschaftsweise auf die Straße zu bringen, ist Augenwischerei. Allein aufgrund der Ausbildungsdauer von drei Jahren wirken sich Personalvermehrungen erst "zum nächsten Wahltermin" aus.
Durchaus zu beachten: Angestellte im Polizeidienst stellen durch eigene Beitragszahlungen ihre Altersversorgung selbst sicher.
Dem Weg zur Verwirklichung der zweigeteilten Laufbahn der Polizei - in mehreren Ländern bereits erfreulich weit fortgeschritten - muss eine sachgerechte Arbeits- und Aufgabenteilung mit den Angestellten in der Polizei entsprechen. Nur dort, wo hoheitliche Aufgaben wahrzunehmen sind und das fachspezifische Wissen des Polizeiberufs zwingend erforderlich ist, sind Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte einzusetzen, nicht hoheitliche, aber für die Polizei zwingend notwendige Aufgaben können durch Angestellte ausgeführt werden. Das Land Nordrhein-Westfalen hat diese notwendige Zielsetzung erkannt. Durch vermehrte Einstellung von Angestellten (1.370 bis 2007) und durch konkrete Vorgaben, welche Arbeitsfelder durch Angestellte abgedeckt werden sollen, wird eine andere Aufgabenverteilung innerhalb der Polizei erreicht.
Zur Bekämpfung der steigenden Kriminalität und um mehr Präsenz vor Ort zeigen zu können, muss die öffentliche Sicherheit als eine in sich geschlossene Aufgabe gesehen werden, gemeinsam wahrgenommen von Polizeibeamten, Angestellten und Arbeitern. Diese Aufgabenwahrnehmung aus einer Hand muss auch bei länderspezifischen Regelungen fortgelten, z.B. bei Verlagerungen zu anderen Behörden oder Organisationsstrukturen (Liegenschaftsämter/Gebäudemanagement). Es muss sichergestellt sein, dass das betroffene Personal nach wie vor der Polizei zugeordnet bleibt, um auf Anforderungen ohne bürokratische Umwege schnell reagieren zu können.
Für welche Tätigkeiten eine langjährige polizeispezifische Ausbildung nicht erforderlich ist, ist im "Berufsbild für Angestellte" der Gewerkschaft der Polizei aufgeführt.
Zu ergänzen bleibt, dass in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes Tarifbeschäftigte schon heute mit Aufgaben betraut sind, die sie neben ihren verbeamteten Kolleginnen und Kollegen ausüben, z.B. bei der Feuerwehr, Justiz, in der Gewerbeaufsicht, beim Gesundheitsamt u.a.m., so dass auch im Polizeibereich derartige Aufgaben auf Dauer ohne Akzeptanzverlust von Angestellten und von Polizeivollzugsbeamten nebeneinander wahrgenommen werden können. Gute Erfahrungen hat gerade die Berliner Polizei gemacht mit Angestellten im Objekt- und Wachschutz, der Verkehrsüberwachung oder dem Parkraumkontrolldienst.
Schließlich darf aber nicht außer Betracht gelassen werden, dass durch die Übernahme von weiteren qualifizierten Tätigkeiten durch Angestellte sich auch die Frage und die Notwendigkeit einer besseren Eingruppierung stellt und einer Lösung zugeführt werden muss.
Es bleibt festzustellen, dass
7. Im Detail zum Scholz-Papier
V. Vorschläge für den Bereich der Polizei
Vorschlag 1: Verbund zwischen Polizei und privater Sicherheit
Die vorgeschlagene "Befreiung der Polizei von Sekundäraufgaben" ist grundsätzlich zu begrüßen. Die GdP versteht hierunter eine Neuzuordnung der Aufgaben innerhalb der Polizei (Übertragung der Aufgaben von Beamte auf Angestellte), aber ausdrücklich keine Einbeziehung privater Sicherheitsdienste. Das Rechtsinstitut der Beleihung steht ausdrücklich nur im Ausnahmefall zur Verfügung, ist also kein Mittel für die "Befreiung der Polizei von Sekundäraufgaben".
Vorschlag 2: Privatisierung des Objektschutzes
Abzulehnen. Die Durchführung des Objektschutzes durch Angestellte in der Polizei in Berlin hat sich bewährt. Die Annahme der Einsparungen ist fiktiv und kann widerlegt werden (wie bereits dargelegt). Dies gilt erst recht, wenn im privaten Sicherheitsgewerbe die tarifliche Bezahlung aufgrund einer qualifizierten Aus- und Fortbildung mit Zertifizierung derjenigen im öffentlichen Dienst entspricht.
Die Gewerkschaft der Polizei lehnt darüber hinaus jede Form eines freiwilligen Polizeidienstes ab.
Vorschlag 7: Marktöffnung von internen Serviceleistungen
Versuche einer Marktöffnung von internen Serviceleistungen sind kläglich gescheitert. Auf die schlimmen Beispiele im Bekleidungswesen mit einer Versandhauslösung wie in Bayern wird verwiesen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb jedes Land nach dem sattsam bekannten Motto verfahren muss, wonach jeder das Recht hat, bereits bekannte Fehler selbst zu machen.
Das Gleiche gilt im Kraftfahrzeugwesen. Die Erfahrungen mit Auslagerungen wurden bereits beschrieben.
Insgesamt bleibt festzustellen, dass die Vorschläge zu keiner Kostenreduzierung führen, mit Sicherheit jedoch zu einer Servicereduzierung für die Beschäftigten in der Polizei und somit zu einer Beeinträchtigung des polizeilichen Leistungsangebots für Öffentlichkeit und Bürger.
[667]
Das "Scholz-Papier" ist zwar nur für die Berliner Polizei geschrieben, doch sind viele dieser Vorschläge für die übrigen Polizeien von Bund und Ländern gleichermaßen von Bedeutung. Sie sind ein bezeichnender Beleg für eine rein an ökonomischen Kriterien ausgerichtete Sicherheitspolitik.
Angesichts der derzeitigen Sicherheitslage nimmt die GdP das "Scholz-Papier" zum Anlass, um eine dringende Mahnung an die Innenpolitiker in Bund und Ländern zu richten:
Die Gewährleistung der inneren Sicherheit ist eine stetige Aufgabe - sie verträgt keine Schwankungen nach Haushaltslagen, sie hat immer Konjunktur.
Die wesentliche Botschaft der GdP lautet:
Die Polizei muss den Sicherheitsanspruch der Bürger erfüllen.
1. Sicherheit als Staatsaufgabe
In Sicherheit zu leben, ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Aufgabe der Politik ist es, den Grundbedürfnissen der Menschen zu entsprechen. Daran fehlt es. Die Politik von Bund und Ländern - das Scholz-Papier ist hierfür nur ein, wenngleich gewichtiger Beleg - ist auf dem besten Wege, das Thema innere Sicherheit ähnlich zu behandeln wie die Alterssicherung:
Der Staat gewährt eine Grundsicherung - wer mehr will, soll sich privat darum kümmern.
Die GdP warnt:
Wer nur die Grundsicherung gewährt, gefährdet den Rechtsstaat.
Das Szenario der inneren Sicherheit sieht dann in Zukunft wie folgt aus:Die staatliche Polizei ist nur noch für die Bekämpfung der ganz schweren Kriminalität zuständig. Massendelikte wie Einbrüche? Schutz vor Diebstahl? Dafür gibt es private Sicherheitsdienste, die ganze Wohnviertel bestreifen und schützen. Das muss man natürlich extra bezahlen.
Der große Rest der Bevölkerung, der sich monatliche Schutzgebühren zwischen 60 und 100 DM nicht leisten kann und ihn Mietshäusern wohnt, bleibt sich selbst überlassen.
Was passiert? Der Mensch holt sich das, was er für sein Recht hält, selbst - oder er verzichtet auf sein Recht. Beides ist gleich schlimm. Es ist das Ende des Rechtsstaats. Es ist der Rückfall ins tiefe Mittelalter - in die Zeit vor 1495. Rechtskundige kennen dieses Datum:
Damals verkündete Kaiser Maximilian den "Ewigen Landfrieden". Damit ging die Zuständigkeit der Streitschlichtung auf den Staat als neutrale Instanz über, das Faustrecht war überwunden.
Nur Grundsicherung ist nicht verfassungsgemäß.
Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat, Sicherheitsleistungen für den Bürger im Rahmen der Daseinsfürsorge in lebenswichtigen Bereichen andauernd zu sichern. Die Verpflichtung zur Sicherheitsgewährung für den Bürger durch den Staat ergibt sich auch aus dem EU-Vertrag; die Einigung gem. Art. 2 i.V.m. Art. 61 EU-Vertrag auf die Schaffung eines einheitlichen Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bedeutet eine rechtliche Bindung der Mitgliedsstaaten zur Selbst-Wahrnehmung der damit verbundenen Aufgaben.
Das Grundgesetz enthält in Art. 33 Absatz IV praktisch ein Privatisierungsverbot. Es heißt dort nämlich, dass die Ausübung hoheitlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen sind, die in einem öffentlich rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Die praktisch exklusive Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse durch Amtsträger entspricht der Bedeutung der mit dieser Tätigkeit verbunden möglichen Grundrechtseingriffe:
- Leben und körperliche Unversehrtheit
- Bewegungsfreiheit
- Unverletzlichkeit der Wohnung
- Eigentumsrecht
2. GdP: Sicherheit hat Priorität
Der Rückgang der finanziellen Ressourcen hat einen sehr spannenden Prozess ausgelöst. Landauf, landab hat man Zuflucht gesucht bei Unternehmensberatungsfirmen, um zu erfahren, wie man Sicherheit billiger haben kann. Herausgekommen ist ein neuer Begriff: das "Produkt Sicherheit".
Das ist entlarvend.
Diese Formulierung degradiert den Grundanspruch des Menschen, in Sicherheit leben zu können, zu einer Ware, zu einem Angebot, das von der jeweiligen Kassenlage des Staates abhängig ist.
Die GdP erklärt demgegenüber: Sicherheit hat Priorität.
Es geht
1. um die Aufgabenerfüllung für Öffentlichkeit und Bürger,
2. um eine entsprechende Bewertung des Polizeidienstes und der damit verbundenen Verwaltungsdienste,
3. um eine Personalstärke der Polizei, für die man sich nicht auch noch ständig gegenüber dem Bürger entschuldigen muss - Zitat: "Tut mir leid, wenn Sie eine Stunde auf den Streifenwagen warten müssen, wir haben aber momentan nur einen im Einsatz!"
4. um die Beachtung von Wirtschaftlichkeit - dies unter Beachtung der schlichten Tatsache, dass es schließlich das Geld des Steuerzahlers ist, das ausgegeben wird.
3. Für die polizeiliche Aufgabe gibt es keine mathematische Messlatte
Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird - will sagen: eine neue Untersuchung zu Organisationsstraffung und Effizienzsteigerung bei den Polizeien der Länder und des Bundes gestartet wird. Ohne derlei Vorhaben pauschal zurück zu weisen, muss angemerkt werden:Nicht nur Spötter in der Polizei sagen, dass derlei Untersuchungen inzwischen mehr Personal binden als der eigentliche Auftrag, für die Sicherheit der Bürger zu sorgen.
Solche Untersuchungen können ihrer Natur nach gar nicht anders als nach Messgrößen für Effizienz zu suchen bzw. wo es keine gibt, solche zu erfinden. Nicht zum ersten Mal erklärt die GdP:
Polizeiliche Arbeit lässt sich nicht umfassend an mathematischen Größen messen.
Selbst Bundesinnenminister Otto Schily hat erklärt:
"Sicherheit ist ein Wert jenseits rein ökonomischen Kalküls".
Beispiele:
- Aufnahme von Bagatellschadensunfälle
Unfälle mit Bagatellschäden sind ein Mengenproblem. Sie machen z.B. in Berlin ca. 87 Prozent aller Verkehrsunfälle aus. Die Aufnahme solcher Unfälle privaten Unternehmen zu übertragen, weil man sie für unterhalb der Würde der Polizei hält oder die Polizei für diese Aufgabe als zu teuer empfindet, irrt in beiden Punkten.
Für den betroffenen Bürger sind das nämlich keine Bagatellen, sondern in diesem Moment seine größten Sorgen. Wenn dann die Polizei abwinkt, ist die Botschaft fatal: ausgerechnet dann, wenn ein Bürger einmal nach der Polizei ruft, weil er sie für eine effiziente und neutrale Schlichtungsinstanz hält, dann soll er in dieser Erwartung enttäuscht werden?
- Die Polizei kann auf kaum einem anderen Gebiet so leicht und einfach einen Imagegewinn von unschätzbarem Wert einfahren
- Es schädigt das allgemeine Rechtsgefühl beträchtlich, wenn Rücksichtslosigkeit oder Trunkenheit im Straßenverkehr ungesühnt bleibt, wenn es zu einem Unfall gekommen ist und die Polizei nicht kommt - dasselbe Verhalten aber unnachsichtig bestraft wird, wenn man von einer Polizeistreife erwischt wird, ohne dass es zu einem Unfall gekommen ist.
- Die Aufgabe der Polizei zur Reduzierung von Verkehrsunfällen, also die Vermeidung von Toten, Verletzten und erheblichen Sachschäden, wird hinsichtlich des Erkennens von Unfallhäufungspunkten erheblich erschwert; ohne Auswertung von Bagatellschadensunfällen müssten achtmal so viele sonstige, also in ihren Folgen erheblich schwerere, Unfälle geschehen, um eine vergleichbare statistische Basis für polizeiliche Verkehrsüberwachungsmaßnahmen zu liefern.
- Gerade bei der Aufnahme von Bagatellschadensunfällen stößt die Polizei durch Zufall auf andere Straftaten (z.B. Alkoholfahrten)
- Fußstreifen / bürgernahe Polizei
Das Polizeipräsidium München hat eine Wirkungs- und Kausalanalyse des Auftretens und Verhaltens polizeilicher Fußstreifen durchgeführt. Wesentliches Ergebnis: Sie stärken in erheblichem Maß das Sicherheitsgefühl der Bürger. 92 % der befragten Bürger stimmten der Aussage zu, die Fußstreifen vermittelten ein Gefühl von Sicherheit. Das mag im Verhältnis zur tatsächlichen Sicherheitslage eine naive Haltung sein, ist aber gleichwohl von erheblicher Bedeutung, weil es der Kriminalitätsfurcht entgegen wirkt.
Zwei Erkenntnisse sind wichtig:
1. Die Mehrzahl der Kontakte zwischen Bürgern und Fußstreifen gestaltete sich positiv. Die meisten Kontakte verliefen, soweit es um Maßnahmen ging, folgenlos.
2. Die Fußstreifenbeamten sehen das Verhältnis zum Bürger ähnlich positiv, spüren aber den Druck der "Kosten-Nutzen-Analyse": Tätigkeiten nutzen der Karriere. Dem partnerschaftlich-bürgernahen Wunschbild steht der "Zettel-Druck" entgegen.
Ergebnis solcher Einschätzungen - nicht nur aus München: wenn die "Kasse" nicht stimmt, lohnt sich die Fußstreife nicht.
Dabei sind alle diese vermeintlich lästigen bzw. nur als kostenträchtig diffamierten Aufgaben nicht nur für die Polizei, sondern für den Rechtsstaat und die innere Sicherheit insgesamt von entscheidender Bedeutung. So wird nämlich das Vertrauen zwischen Bürgern, Öffentlichkeit und Polizei gestützt.
Dieses Vertrauen wiederum ist für die gesamte Polizeiarbeit von entscheidender Bedeutung. Wenn die Bürger sich mit ihrer Polizei identifizieren, sind sie auch bereit, mit Tipps und Hinweisen zu helfen. Ohne die geht es aber nicht. Unter Kriminalisten gibt es eine seit vielen Jahren gefestigte Erkenntnis:
Die Polizei kann aus eigener Kraft, also ohne entsprechende sachdienliche Hinweise aus der Bevölkerung, nicht einmal zehn Prozent der bekannt gewordenen Straftaten aufklären. Das heißt: vier Fünftel der aufgeklärten Straftaten klärt im Grunde der Bürger selbst auf.
Nicht dass jetzt diejenigen, die polizeiliche Arbeit am liebsten auf eine rein betriebswirtschaftliche Rechengröße reduzieren wollen, sich jetzt bestätigt fühlen!
Nein, die Qualität polizeilicher Arbeit beweist sich darin, aus der Vielzahl der Bürger-Hinweise den Ermittlungserfolg herzuleiten - und dafür bedarf es hoher fachlicher Kompetenz.
4. Mehr Personal für die Polizei
Die grundsätzliche Frage ist, wie sich die Sicherheitslage in Zukunft entwickeln wird. Hierzu die folgenden Prognosen:
1. Die terroristische Bedrohung ist keine schnell vorüber gehende Zeiterscheinung. Die Dimension weist vielmehr auf eine buchstäblich weltumspannende und daher die Bundesrepublik Deutschland keineswegs aussparende anhaltende Gefährdung der inneren Sicherheit auf Dauer hin. Dies bedeutet, dass sich die Polizeien der Länder und des Bundes personell, materiell und organisatorisch auf eine erhebliche Mehrbelastung einstellen müssen. Die derzeitige provisorische Lösung, den sprunghaft gestiegenen Personalbedarf für Objekt- und Personenschutz, Ermittlungen und Fahndungen durch Schwächungen mit Sicherheitsverlusten an anderer Stelle zu decken, muss möglichst schnell beendet werden.
2. Die demografischen Daten belegen, dass die deutsche Wohnbevölkerung immer älter wird. Die Lebenserwartung steigt, hingegen bleibt die Geburtenrate auf dem bisherigen niedrigen Niveau stabil. Somit steigt das Durchschnittsalter der Bevölkerung. Also wird es in zehn Jahren weniger Menschen im sogenannten kriminalitätsaktiven Alter geben. Die Zahl der registrierten Gesamtkriminalität wird auf dem derzeitigen hohen Niveau stagnieren bzw. leicht zurückgehen.
Aber:
Die Migrationsbewegung und die Osterweiterung der EU mit ihrer Freizügigkeit und der freien Wahl des Arbeitsplatzes werden besonders junge aktive Menschen anlocken, die die vergleichsweise deutlich besseren wirtschaftlichen Bedingungen für sich zu nutzen versuchen. Der Schutz der EU-Außengrenzen wird aufgrund völlig anderer geografischer Bedingungen nicht in dem Maße zu garantieren sein, wie es bisher Standard ist. Dies heißt, dass es ein größeres Ausmaß an illegalen Personen- und Warentransporten geben wird. Der Schmuggel wird blühen.
Illegale Zuwanderung bedeutet zugleich, dass der Lebensunterhalt kaum anders als ebenfalls illegal zu bestreiten sein wird - und dies angesichts einer Altersgruppe, die vor allem dem kriminalitätsaktiven Bereich angehört.
3. Der europäische Integrationsprozess hat Einfluss auf die künftige Entwicklung der Sicherheitslage. Es genügt nicht, nur im Kontext eines Bundeslandes oder der Bundesrepublik Deutschland polizeilich zu denken. Die Europäische Union muss nicht nur als gemeinsamer politischer, wirtschaftlicher und sozialer Raum gesehen werden, sondern auch als gemeinsamer kriminalgeografischer und verkehrsgeografischer Raum.
In den Sinnzusammenhang mit der EU einschließlich ihrer Erweiterung, letztlich mit der weltweiten Globalisierung, gehört weiter der Gesichtspunkt internationaler Verflechtungen der Kriminalität, gerade was den OK-Bereich angeht. Schon aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen sind die Grenzen zwischen legaler und illegaler wirtschaftlicher Tätigkeit unscharf, weil nationales Recht mit Leichtigkeit unterlaufen werden kann. Die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie tut ein übriges, um das Entstehen und Unterhalten ganzer krimineller Netzwerke zu begünstigen. Hinzu treten völlig neue Kriminalitätsformen wie z.B. die Nutzung des Internet zur Verbreitung strafbarer Inhalte.
4. Polizeieinsätze werden immer gigantischere Ausmaße annehmen. Daran ist die nationale Politik, aber auch die EU sowie die internationale Politik einschließlich der Globalisierung Schuld.
Mittlerweile ist die Zahl von 30.000 Polizistinnen und Polizisten schon "normal", wenn vom Polizeischutz für Castor-Transporte die Rede ist.
Was bedeutet diese Zahl?
30.000 - das ist mehr als das Dreifache, was Dänemark überhaupt an Polizistinnen und Polizisten aufzubieten hat.
30.000 - das ist keine Reserve; sie werden bundesweit zusammengesucht, also von anderen Aufgaben abgezogen. Diejenigen, die zurück bleiben, machen dafür 12-Stunden-Dienste, damit wenigstens noch ein Rest an Polizeipräsenz übrig bleibt. Am Ende stehen Berge von Millionen von Überstunden, was wiederum von der täglichen Präsenz auf der Straße abgeht.
Und dann die EU-Ebene. Da soll eine 5.000 Mann starke Polizei-Einheit für internationale Kriseneinsätze aufgebaut werden. Das ist eine wichtige Aufgabe. Nur: wer derlei Verpflichtungen eingeht, muss auch dabei sagen, woher er das Personal nehmen will. Selbst wenn die 5.000 Polizistinnen und Polizisten nicht ständig in Bereitschaft gehalten werden sollen, bedeutet es gleichwohl einen erheblichen Personalaufwand, um Auswahl, Ausbildung und Training ständig vorzuhalten. Das geht zu Lasten der nationalen Polizeistärke.
Kaum gab es durchaus ernste Probleme bei den Polizeieinsätzen zum Schutz des EU-Gipfels in Göteborg und des G8-Gipfels in Genua, da wurde die Forderung nach einer EU-Anti-Krawall-Polizei laut. Abgesehen von fehlenden gemeinsamen Rechtsgrundlagen, einheitlicher Führung und demokratischer Kontrolle stellt sich eine Frage: Woher nehmen, wenn nicht stehlen, wenn's ums Personal geht?
Dem Thema EU-Anti-Krawall-Polizei folgte in diesem Sommer die Forderung nach einer EU-Grenzpolizei. Auch hier die Frage: woher nehmen wir das Personal?
Ein Hinweis noch auf ein ganz heikles Politikfeld. Nach Außenminister Fischers Nahost-Mission im September 2001 war von einem möglichen Treffen zwischen Arafat und Peres in Berlin die Rede. Und schon machte eine Zahl die Runde: mindestens 6.000 Polizistinnen und Polizisten zusätzlich nach Berlin!
Selbst wenn aus dem Treffen und somit aus dem Einsatz nichts wurde, wird der von der Politik geleugnete Automatismus deutlich: Immer häufiger sind politische Termine und Veranstaltungen so heikel, dass sie nur unter erheblichem Polizeiaufwand stattfinden können.
Das führt ganz konkret dazu, dass der Bürger Sicherheitseinbußen zugunsten solcher politischer Ereignisse hinnehmen muss. Anlässlich des Staatsbesuchs von Russlands Präsident Putin Ende September 2001 in Düsseldorf mussten Polizeiwachen geschlossen werden, um genügend Kräfte für die Gewährleistung der Sicherheitsstufe I zur Verfügung zu haben.
Dies alles sind nämlich keine Einzelereignisse, die man bei der Personalberechnung außen vor lassen könnte.
Man muss nur zweierlei Entwicklungen miteinander in Verbindung bringen:
- Es gibt internationale gesellschaftliche Prozesse, auf die die etablierte Politik keine Antwort weiß, bestenfalls seit Jahren um Antworten ringt, aber nicht "zu Potte kommt". Hierzu zählen illegale Einwanderung, Migrationsbewegungen überhaupt sowie erhebliche Unzufriedenheit und Ängste im Zusammenhang mit wirtschaftlicher Entwicklung und Globalisierung.
- Immer dann, wenn Politik keine Antworten weiß, ist die Polizei an der Reihe, das ist ein alter Hut. Wenn aber die beschriebenen Konflikte in der Zukunft weiter zunehmen, dann wird deutlich mehr Polizei benötigt. Um den Deckel auf dem Topf zu halten, also die Sicherheit zu gewährleisten, kann man doch nicht EU-weit Personal bei der Polizei abbauen.
5. Ein ganz heikles gesellschaftliches Phänomen müssen wir endlich als Sicherheitsproblem begreifen: die zunehmende Anonymisierung der Gesellschaft. Man wird sich immer fremder, parallel hierzu nehmen traditionelle Formen der informellen sozialen Kontrolle ab, wie etwa in der Familie oder in der Nachbarschaft. Ein weiterer Faktor ist die stetige Zunahme an Single-Haushalten. Was heißt das für die Polizei?
Die Neigung und die Fähigkeit der Bürger, Konflikte untereinander zu regeln, wird immer mehr zurückgehen - aber die Konflikte selbst werden häufiger. Was ist die Folge? Die Polizei wird immer mehr gefragt sein, und zwar als Moderator, als Streitschlichter.
Fazit:
Wir brauchen in Zukunft mehr Personal bei der Polizei.
Und:
Alte Zahlenspiele haben längst ihre Gültigkeit verloren.
Im Sicherheitsprogramm der Innenministerkonferenz von 1972 wurde erstmals ein Schlüssel festgelegt, nach dem der Bedarf an Polizeikräften errechnet wurde. Das war die sogenannte Polizeidichte (1 Polizist zu 420 Bürgern). Im Grunde war diese Verhältniszahl schon damals eine willkürliche Festlegung. Heute, nach fast 30 Jahren, ist sie von den Realitäten der inneren Sicherheit weiter entfernt denn je.
Die Polizei ist heute über neue Aufgaben und neue Dimensionen bisheriger Aufgaben weit mehr belastet. Einige wichtige Felder wachsender Aufgaben für die Polizei sind bereits aufgezählt. Hinzu kommen weitere:
- Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (allein für 854 OK-Verfahren im Jahre 2000 waren über 3000 Polizisten gebunden)
- Einrichtung von Prüfgruppen zur Bekämpfung schwerer Fälle der Wirtschaftskriminalität
- Neue Formen von Wirtschafts- und Organisierter Kriminalität (Geldwäsche, Anlagebetrug)
- Verstärkte Bekämpfung des Menschenhandels und der illegalen Einwanderung
- Einrichtung der Gen-Datei
- Computer-Kriminalität
- Internet-Kriminalität
- Bekämpfung des Rechtsextremismus / erhebliche Zunahme von "Demos von Rechts"
- Zunahme von Objektschutzmaßnahmen / Schutz von DemonstrationenBeispiel Berlin: Als Auswirkung des Nahostkonflikts erhöhte sich die Zahl der zu schützenden Objekte von 45 auf 100.
Die Zahl der Staatsbesuche stieg von 135 im Jahre 1988 auf 501 im Jahre 2000 - eine Steigerung von 370 %.
In den Jahren 1997 bis 2000 fanden durchschnittlich 2150 Veranstaltungen pro Jahr statt, das sind knapp 6 Versammlungen pro Tag. - Bekämpfung von Graffiti-Schmierereien
- Maßnahmen im Zusammenhang mit BSE
- Ausbau der internationalen Zusammenarbeit (EUROPOL, Schengener Informationssystem)
- Euro-Einführung
- Einsatz von Polizeikräften in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo
- Allgemein Mehraufgaben durch neue Gesetze wie z. B. Handy-Verbot beim Autofahren oder Senkung der Promillegrenze auf 0,5 Promille
- Neue Dimensionen des Terrorismus.
Diesem erheblichen Aufgabenzuwachs steht ein seit Jahren andauernder Personalabbau bei der Polizei gegenüber. Seit 1997 ist die Zahl der Planstellen bei der Polizei von Bund und Ländern um ca. 3.000 zurück gegangen.
Es ist entlarvend, dass nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 Politiker, die sich zuvor für Personaleinsparungen und Privatisierung stark gemacht haben, den Mangel erkennen und aus der Not heraus nach dem Einsatz der Bundeswehr im Innern rufen.
Die GdP stellt zum Verhältnis Polizei und Bundeswehr fest:
- Die Anschläge in New York City und Washington haben dem internationalen Terrorismus eine neue Dimension gegeben. Eine Antwort darauf darf sich nicht darin erschöpfen, im Sinne einer erfolgreichen Terrorismusbekämpfung in militärischen Kategorien zu denken.
- Terrorismusbekämpfung ist eine polizeiliche Aufgabe, die vor allem kriminalistische Fähigkeiten verlangt.
- Die Bundeswehr kann mangels rechtlicher Befugnisse und entsprechender Ausbildung bei der derzeitigen polizeilichen und kriminalistischen Arbeit zur Aufklärung der Terroranschläge keine Hilfestellung leisten.
- Wenn sich im konkreten Fall herausstellt, dass der Polizei für ihre Arbeit Mittel fehlen, über die die Bundeswehr verfügt, bietet das Institut der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 2 des Grundgesetzes hierfür alle Möglichkeiten.
- Angesichts der Personallage der Bundeswehr sind Überlegungen, die Bundeswehr für Aufgaben des Objektschutzes hinzu zu ziehen, nicht realistisch. Es sollte allerdings geprüft werden, ob die Bundeswehr, neben der Verstärkung der Sicherung eigener Einrichtungen, nicht auch zum Schutz von Einrichtungen der NATO-Streitkräfte beitragen könnte.
- Verbessert und intensiviert werden sollte der Kontakt zwischen Polizei und Bundeswehr, um den aktuellen Informationsstand über die Sicherheitslage zu gewährleisten.
- Die notwendige Verbesserung der Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten muss den Militärischen Abschirmdienst (MAD) einschließen.
5. Im Vergleich zu Privaten ist Polizei besser und billiger
Nicht nur, aber auch das Scholz-Papier propagiert eine weitreichende Privatisierung, entweder von Tätigkeiten bzw. Dienstleistungen der Polizei selbst, oder von Teilen polizei-interner Hilfs- oder Unterstützungsleistungen wie Datenverarbeitung, Werkstätten, Küchen- und Reinigungsdienste usw.
.Beides ist keine Lösung.
1. Derlei Privatisierungen führen nicht zum Wegfall von Kosten, bestenfalls zu deren Verlagerung, nämlich vom Personal- in den Sachhaushalt. Nach der Ideologie von Unternehmensberatungen sind Personalausgaben "schlecht", Sachausgaben hingegen "gut" - auch wenn sich dahinter umgeschichtete Personalausgaben verbergen.
2. Die angebliche Kostengünstigkeit privater Anbieter gegenüber dem öffentlichen Dienst beruht häufig auf Lohndumping und der Aufteilung von Vollzeitarbeitsplätzen auf "630 DM - Jobs". Ein Tarifvergleich ergibt, dass beispielsweise der Tariflohn im privaten Bewachungsgewerbe nicht geringer ist als der Tariflohn gemäß BAT. Daher fordert die GdP: Keine Verlagerung von Aufgaben an private Bewachungsunternehmen, sondern Aufgabenwahrnehmung durch gut ausgebildete Angestellte in der Polizei.
3. Die vermeintliche Kostengünstigkeit privater Anbieter beruht vielfach auf einer qualitativ geringwertigeren Leistung. So stehen private Kfz-Werkstätten nur im Rahmen ihrer Geschäftszeiten zur Verfügung, während polizeieigene Einrichtungen bei Bedarf jederzeit zur Verfügung stehen, auch an Wochenenden oder zur Nachtzeit.
Vor vier Jahren ist die Dienstkleidungsversorgung bei der bayerischen Polizei privatisiert worden. Das private Unternehmen hat "das Handtuch geworfen" überdies war der Service für die Polizeibeamtinnen und Beamten völlig unbefriedigend. Der neue private Vertragspartner ist nicht besser: es hagelt täglich Beschwerden.
Dass Privatisierung keineswegs automatisch besser und billiger ist, belegt auch das Beispiel der Flugbereitschaft der Luftwaffe: bei der europaweiten Ausschreibung stellte sich heraus, dass "eine zivile Vergabe mit Leistungseinschränkungen verbunden ist". Grund: Das derzeitige Leistungsspektrum der Flugbereitschaft der Luftwaffe, also sieben Tage rund um die Uhr, ist - Zitat - "auf dem zivilen Markt bezahlbar nicht erhältlich".
4. Grundsätzlich führt die Privatisierung von bislang von der Polizei wahrgenommenen Aufgaben wie z.B. der Aufnahme von Bagatellschadensunfällen zu einer Niveauverschlechterung des Grundrechtsschutzes, weil der Staat nicht unmittelbar haftbar zu machen ist, sondern erst den Grundrechtsschutz durch eigenes Tätigwerden gegenüber dem Privaten Auftragnehmer wiederherstellen muss.
5. Die Forderung der GdP nach einer Wieder-Verstaatlichung der Fluggastkontrollen auf deutschen Flughäfen hat ihre Begründung darin, dass wegen der Bedeutung der Aufgabe für die Sicherheit des Luftverkehrs eine unmittelbare staatliche Verantwortung für die Aufgabenwahrnehmung geboten ist. Überdies hat die öffentliche Auftragsvergabe an den billigsten Anbieter zu einem "Lohndumping" mit Stundenlöhnen zwischen 10 und 13 DM geführt - ein nicht mehr zu verantwortendes Sicherheitsrisiko.
6. Zweigeteilte Laufbahn/Berufsbild Angestellte in der Polizei
Grundsätzliche Aufgabe der Polizei in einer Demokratie ist es, das gesellschaftliche "Klima" zu gewährleisten, in dem sich gesellschaftliche Prozesse aufgrund des notwendigen Dialogs aller Gruppen friedlich vollziehen können. Je komplizierter jedoch diese Prozesse in einer modernen Industriegesellschaft werden und je schneller sich die Rahmenbedingungen aufgrund der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen im nationalen und internationalen Zusammenhang ändern, umso höher werden die Anforderungen an den Polizeiberuf.
Zum allgemeinen gesellschaftlichen Anspruch an den Polizeiberuf treten ganz konkrete Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an die Dienstleistung "innere Sicherheit"; der Wunsch nach Sicherheit rangiert seit Jahren bei zahlreichen Meinungsumfragen in der Bevölkerung an vorderer Stelle. Immer komplexer werdende gesetzliche Regelungen und auch die technische Entwicklung mit ihren Auswirkungen auf den Polizeiberuf runden die Anforderungen ab.
Daher hat die GdP bereits 1972 den Anspruch formuliert, die Ausbildung des allgemeinen Polizeidienstes auf der Ebene des fachwissenschaftlichen Studiums an einer Fachhochschule anzusiedeln, an die sich für die Leitungsebene der Polizei ein Studium auf Hochschulebene anschließen soll.
Das ist die zweigeteilte Laufbahn der Polizei, die inzwischen in einigen Bundesländern weit fortgeschritten ist bzw. kurz vor ihrer Vollendung steht.
Kritiker unter Politikern in Bund und Ländern führen an, dass diese zweigeteilte Laufbahn zu Überqualifikation und überhöhten Kosten führt.
"Falsch!" sagt die GdP. Für den Polizeidienst ist es geradezu typisch, dass aus vordergründig unbedeutenden Vorgängen in Sekundenschnelle Vorgänge entstehen können, deren Bewältigung ein Höchstmass an theoretischem Wissen und praktischem Können sowie sozialer Kompetenz verlangt. Das Leben ist aber kein Video, dass man anhalten kann, bis entsprechend qualifizierte Kräfte eingetroffen sind.
Umgekehrt bedeutet zweigeteilte Laufbahn keineswegs, dass die Polizei alle Vorgänge, die sie aufgenommen hat, auch abarbeitet. Aus der Tatsache, dass die Polizei rund um die Uhr tätig ist, ergibt sich allzu oft ein erstes Tätigwerden für die eigentlich zuständigen Behörden und Institutionen. Da hat sich in den vergangenen Jahren ein schleichender Wandel vollzogen: weil die originär zuständigen Institutionen, häufig kommunale bzw. Landesbehörden, entweder an Wochenenden oder zur Nachtzeit nicht präsent sind oder nicht über eigene Vollzugskräfte verfügen, ist die Polizei in die Rolle der allzeit zuständigen Institution gedrängt worden.
Inzwischen wird bundesweit daran gearbeitet, zu den gesetzlichen Zuständigkeiten zurück zu kehren, d.h. die Polizei von der Wahrnehmung solcher im Grunde polizeifremden Aufgaben wieder zu entlasten. So verstanden ist die Konzentrierung auf eigene Aufgaben der Polizei zu begrüßen, zumal die Wahrnehmung von Aufgaben für andere Behörden und Institutionen Polizeipersonal der wichtigen Präsenz auf der Straße entzieht. Das hat Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl der Bürger.
Wenn es weniger Polizistinnen und Polizisten auf der Straße zu sehen gibt, liegt dies auch an einem von der Politik vernachlässigten Sinnzusammenhang: Es werden unbekümmert immer mehr Gesetze und Verordnungen produziert, ohne auf den damit verbundenen Vollzugsaufwand zu achten. Die Folge: die für die präventive Arbeit der Polizei zur Verfügung stehende Zeit tendiert praktisch gegen Null. Und noch eines: wer Sachkosten wie z.B. bei Inpol-Neu zu einer millionenschweren Fehlinvestition führt, hat hinterher kein Geld mehr für eine sinnvolle Personalbewirtschaftung.
Vorschläge der GdP für Lösungen:
Eine effektive Möglichkeit, mehr Polizei auf die Straße zu bringen, ist die vermehrte Einstellung und Aufgabenwahrnehmung durch Angestellte in der Polizei.
Zum einen befreien sie Beamtinnen und Beamte von nichthoheitlichen Aufgaben, zum anderen sind sie sofort vom regulären ersten Arbeitsmarkt zu bekommen, da sie die notwendige - qualifizierte - Ausbildung bereits mitbringen und allenfalls eine relativ kurze Einweisungszeit benötigen, die aber in keinem Verhältnis zur Dauer einer Ausbildung als Polizeibeamtin oder als -beamter steht. Hierbei geht es keineswegs um die Frage, wer die bessere Ausbildung hat, sondern die richtige und für die Aufgabenbewältigung notwendige! Wozu einen Polizeibeamten als Fotograf beschäftigen, wenn ein bereits ausgebildeter Fotograf direkt eingestellt werden könnte.
Die Polizei als Institution muss lernen und akzeptieren, dass es wirtschaftlicher und der Aufgabe dienlicher ist, bereits ausgebildete Angestellte zu beschäftigen als Beamtinnen und Beamte sich selbst zu überlassen, die sich mühsam autodidaktisch weiterbilden müssen. Dies gilt insbesondere für den IuK - Bereich. Damit einhergehen muss die Abkehr von der Kapitalisierung von Personal für die Beschaffung neuer Technik.
Das Argument der kurzfristigen Einsetzbarkeit spielt gerade jetzt bei der bestehenden Sicherheitslage eine große Rolle. Großsprecherische Ankündigungen von Politikern, Polizisten hundertschaftsweise auf die Straße zu bringen, ist Augenwischerei. Allein aufgrund der Ausbildungsdauer von drei Jahren wirken sich Personalvermehrungen erst "zum nächsten Wahltermin" aus.
Durchaus zu beachten: Angestellte im Polizeidienst stellen durch eigene Beitragszahlungen ihre Altersversorgung selbst sicher.
Dem Weg zur Verwirklichung der zweigeteilten Laufbahn der Polizei - in mehreren Ländern bereits erfreulich weit fortgeschritten - muss eine sachgerechte Arbeits- und Aufgabenteilung mit den Angestellten in der Polizei entsprechen. Nur dort, wo hoheitliche Aufgaben wahrzunehmen sind und das fachspezifische Wissen des Polizeiberufs zwingend erforderlich ist, sind Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte einzusetzen, nicht hoheitliche, aber für die Polizei zwingend notwendige Aufgaben können durch Angestellte ausgeführt werden. Das Land Nordrhein-Westfalen hat diese notwendige Zielsetzung erkannt. Durch vermehrte Einstellung von Angestellten (1.370 bis 2007) und durch konkrete Vorgaben, welche Arbeitsfelder durch Angestellte abgedeckt werden sollen, wird eine andere Aufgabenverteilung innerhalb der Polizei erreicht.
Zur Bekämpfung der steigenden Kriminalität und um mehr Präsenz vor Ort zeigen zu können, muss die öffentliche Sicherheit als eine in sich geschlossene Aufgabe gesehen werden, gemeinsam wahrgenommen von Polizeibeamten, Angestellten und Arbeitern. Diese Aufgabenwahrnehmung aus einer Hand muss auch bei länderspezifischen Regelungen fortgelten, z.B. bei Verlagerungen zu anderen Behörden oder Organisationsstrukturen (Liegenschaftsämter/Gebäudemanagement). Es muss sichergestellt sein, dass das betroffene Personal nach wie vor der Polizei zugeordnet bleibt, um auf Anforderungen ohne bürokratische Umwege schnell reagieren zu können.
Für welche Tätigkeiten eine langjährige polizeispezifische Ausbildung nicht erforderlich ist, ist im "Berufsbild für Angestellte" der Gewerkschaft der Polizei aufgeführt.
Zu ergänzen bleibt, dass in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes Tarifbeschäftigte schon heute mit Aufgaben betraut sind, die sie neben ihren verbeamteten Kolleginnen und Kollegen ausüben, z.B. bei der Feuerwehr, Justiz, in der Gewerbeaufsicht, beim Gesundheitsamt u.a.m., so dass auch im Polizeibereich derartige Aufgaben auf Dauer ohne Akzeptanzverlust von Angestellten und von Polizeivollzugsbeamten nebeneinander wahrgenommen werden können. Gute Erfahrungen hat gerade die Berliner Polizei gemacht mit Angestellten im Objekt- und Wachschutz, der Verkehrsüberwachung oder dem Parkraumkontrolldienst.
Schließlich darf aber nicht außer Betracht gelassen werden, dass durch die Übernahme von weiteren qualifizierten Tätigkeiten durch Angestellte sich auch die Frage und die Notwendigkeit einer besseren Eingruppierung stellt und einer Lösung zugeführt werden muss.
Es bleibt festzustellen, dass
- die angeführte Wahrnehmung von Tätigkeiten zu einer Entlastung der Polizeibeamtinnen und -beamten führt,
- die Präsenz der Polizei vor Ort dadurch erheblich erhöht wird,
- das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung wächst,
- Sicherheit durch die Polizei gewährleistet wird,
- die Landeshaushalte auf Dauer eine Entlastung erfahren, so dass die Sicherheit u.a. durch kürzere Ausbildungszeiten und geringere Fluktuation auch finanzierbar bleibt,
- sich für die Angestellten neue Tätigkeitsfelder ergeben,
- das zu mehr Flexibilität und Motivation bei den Kolleginnen und Kollegen führt,
- die Möglichkeit einer besseren Eingruppierung ein Ergebnis der Übertragung von Tätigkeiten sein muss,
- die genannten Tätigkeitsfelder durch die Beschäftigten in der Polizei (Beamte, Angestellte, Arbeiter) kompetent ausgeführt werden können und die Beauftragung von privaten Sicherheitsdiensten dazu nicht erforderlich sind.
7. Im Detail zum Scholz-Papier
V. Vorschläge für den Bereich der Polizei
Vorschlag 1: Verbund zwischen Polizei und privater Sicherheit
Die vorgeschlagene "Befreiung der Polizei von Sekundäraufgaben" ist grundsätzlich zu begrüßen. Die GdP versteht hierunter eine Neuzuordnung der Aufgaben innerhalb der Polizei (Übertragung der Aufgaben von Beamte auf Angestellte), aber ausdrücklich keine Einbeziehung privater Sicherheitsdienste. Das Rechtsinstitut der Beleihung steht ausdrücklich nur im Ausnahmefall zur Verfügung, ist also kein Mittel für die "Befreiung der Polizei von Sekundäraufgaben".
Vorschlag 2: Privatisierung des Objektschutzes
Abzulehnen. Die Durchführung des Objektschutzes durch Angestellte in der Polizei in Berlin hat sich bewährt. Die Annahme der Einsparungen ist fiktiv und kann widerlegt werden (wie bereits dargelegt). Dies gilt erst recht, wenn im privaten Sicherheitsgewerbe die tarifliche Bezahlung aufgrund einer qualifizierten Aus- und Fortbildung mit Zertifizierung derjenigen im öffentlichen Dienst entspricht.
Die Gewerkschaft der Polizei lehnt darüber hinaus jede Form eines freiwilligen Polizeidienstes ab.
Vorschlag 7: Marktöffnung von internen Serviceleistungen
Versuche einer Marktöffnung von internen Serviceleistungen sind kläglich gescheitert. Auf die schlimmen Beispiele im Bekleidungswesen mit einer Versandhauslösung wie in Bayern wird verwiesen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb jedes Land nach dem sattsam bekannten Motto verfahren muss, wonach jeder das Recht hat, bereits bekannte Fehler selbst zu machen.
Das Gleiche gilt im Kraftfahrzeugwesen. Die Erfahrungen mit Auslagerungen wurden bereits beschrieben.
Insgesamt bleibt festzustellen, dass die Vorschläge zu keiner Kostenreduzierung führen, mit Sicherheit jedoch zu einer Servicereduzierung für die Beschäftigten in der Polizei und somit zu einer Beeinträchtigung des polizeilichen Leistungsangebots für Öffentlichkeit und Bürger.
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