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Polizei und Polizeigewerkschaften – Vom Kaiserreich bis zur Weimarer Republik

Zunächst Kameradenvereine

Bereits im Kaiserreich schlossen sich Polizeibeamte zu Vereinigungen zusammen. Diesen war es jedoch strengstens untersagt, als Interessenvertretungen aufzutreten. Erst in der Weimarer Republik durften auch Beamte im Polizeidienst Verbände gründen, die sich für ihre wirtschaftlichen und sozialen Belange einsetzten. In dieser Zeit entstand eine große Zahl von Vereinigungen, die sich in ihrer Zusammen- und Zielsetzung teils erheblich unterschieden.

Vom Kaiserreich bis zur Novemberrevolution
Erste Vereinsgründungen unter Polizeibeamten wurden bereits im Jahre 1882 dokumentiert. In diesem Jahr gründete sich der „Sterbekassenverein der Bayerischen Polizeimannschaft“. Dabei handelte es sich jedoch keineswegs um eine gewerkschaftlich orientierte Organisation. Ebenso war der „Gesangverein C.A.“ der Berliner Kriminalpolizei von 1887, der erste in Preußen genehmigte Verein staatlicher Polizeibeamter. Diesen ersten Kameradenvereinen waren einzig solche Tätigkeiten gestattet, die sich auf die dienstfreie Zeit bezogen oder der Förderung des Mannschaftsgeistes und der Staatstreue zu Gute kamen. Lag ein erstes Zentrum der Vereinsgründungen in Süddeutschland, verschob sich dieses nach der Jahrhundertwende zunehmend in das Land Preußen.

Trotz Widerständen aus der Polizeiführung und entsprechender Verbote, kam es während der ersten Jahre des 20. Jahrhunderts zu immer neuen Gründungen. 1907 schlossen sich erstmals die Berliner Kriminalwachtmeister zusammen. Ein Jahr später entstanden der „Bund der Polizeibeamten in Sachsen“ und der „Bayerische Polizeibeamtenverband“. Am 27. Januar 1909 wurde der „Bund der kommunalen Polizeibeamten Preußens“ gegründet, 1910 folgte der „Verein der oberen Polizeiexekutivbeamten Preußens“ und 1911 schließlich der „Zentralverband der Polizeisergeanten Preußens“. Im selben Jahr gründete sich der „Verband der Kommunalbeamten für das südliche Münsterland und benachbarte Gebiete“.


Besetzung des Berliner Polizeipräsidiums durch die Reichswehr am 20.7.1932 / Süddeutsche Zeitung Photo.

Der Versuch Berliner Schutzleute 1913 eine Polizeivereinigung zu gründen, verdient insofern eine besondere Betrachtung, da dieser schlussendlich zur Gründung des Schrader-Verbandes führte – der sich zur einflussreichsten Polizeivereinigung Preußens entwickelte. Zugleich steht er exemplarisch für die Schwierigkeiten und Widerstände die zu überwinden waren, um im Kaiserreich eine Polizeivereinigung zu gründen.

Der Berliner Schutzmann Franz Fuhrmann hatte seine Kollegen im November 1913 zu einer Versammlung eingeladen, auf der über die Gründung eines Vereines der Schutzmannschaften in Berlin diskutiert werden sollte. Als an Stelle der erwarteten Hundert über tausend Beamte am 28.11. in den Blumensälen erschienen, musste man die Versammelten auf zwei weitere Säle verteilen. Auf der Versammlung wurde die Gründung der „Vereinigung Berliner Schutzleute“ unter dem Vorsitz von Fuhrmann beschlossen. In der Satzung wurden als Ziele der Vereinstätigkeit die Förderung des Standesansehens sowie die Pflege der Kameradschaft und der Staatstreue genannt. Von gewerkschaftlicher Interessenvertretung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Rede. Trotzdem fühlte sich der Polizeipräsident von Berlin, Jagow, durch die unangemeldete Gründung dieser Vereinigung durch seine Untergebenen provoziert. In seinem Tagesbefehl vom 2. Dezember 1913 verbot er daher jegliche weitere Versammlungen:



Das von den Gründern der Vereinigung am 8. Dezember eingereichte Gesuch um Genehmigung der Vereinssatzung wurde ebenfalls abgelehnt. Auch die Versuche, sich auf ihre staatsbürgerlichen Rechte und die bereits genehmigten Vereine der Kriminalschutzmänner und der Polizeiwachtmeister zu berufen, um die Organisationsgründung zu rechtfertigen, liefen ins Leere. Für die Initiatoren der Vereinsgründung hatten diese Vorstöße auch persönliche Konsequenzen. Franz Fuhrmann wurde nach einem Dienstverfahren in das oberschlesische Zabrze strafversetzt. Auch sein Kollege Hönow, der nach Fuhrmanns Ausscheiden als 2. Vorsitzender weitere Versammlungen einberief, wurde vernommen und nach Königsberg versetzt.

Über die Verabschiedung Hönows berichtete die „Berliner Morgenpost“ im Februar 1814:



Den Strafversetzungen waren weitere Aktivitäten zur Organisationsgründung vorausgegangen. Obwohl der Polizeipräsident Jagow das Gesuch auf Genehmigung bereits im Dezember 1913 auch offiziell abgelehnt hatte, kam es im Januar 1914 zu erneuten Versammlungen in den Andreas-Festsälen. Als Vertreter im Falle eines zu erwartenden Verfahrens gegen Hönow wurde Ernst Schrader bestimmt. An den Versammlungen nahm unter anderem auch der Landtagsabgeordnete Dr. Mugdan teil. Auch andere Abgeordnete unterstützten die Vereinsgründung und stießen eine öffentliche Diskussion über die Vereinigungsrechte von Polizeibeamten an.

In der Presse wurde äußerst kontrovers über das Thema berichtet. In der „Deutschen Tageszeitung“ vom 21.01.1914 hieß es dazu:



Weitere Treffen des Vereins wurden auf Grund der Strafversetzungen im Geheimen abgehalten. Die Leitung übernahm häufig Schrader, der mit der Versetzung in den Straßendienst eine verhältnismäßig milde Strafe für seine Vereinstätigkeit bekommen hatte. Um sich besser zu vernetzen, wurde ab dem 1. April 1914 die „Preußische Schutzmannszeitung“ über einen Vertrauensmann herausgegeben. Nach Ausbruch des ersten Weltkrieges richtete die aus dem Verborgenen operierende Vereinigung einen Spendenfonds für die Kriegswohlfahrt ein, der in einen Sterbegeldunterstützungsfond mündete. Durch die finanzielle Unterstützung und die damit einhergehende Entlastung der Staatskasse wurde der Verein inoffiziell geduldet. Die politische Stimmung wandelte sich langsam zu Gunsten der Kameradenvereine.

Im Dezember 1915 konnte schließlich der „Verband der Kameradenvereine der Königlichen Schutzleute des Landespolizeibezirkes Berlin e.V.“ unter Billigung der Regierung gegründet werden. In den folgenden Jahren entwickelte sich aus diesem, unter dem Vorsitz von Ernst Schrader geführten Vereins, der sogenannte „Schrader-Verband“.



1932: Polizei beseitigt Barrikaden in Berlin-Moabit / Süddeutsche Zeitung Photo.

Die Novemberrevolution 1918 wurde zur Bewährungsprobe für die gesamte Polizei und erschütterte diese tief in ihren organisatorischen Grundfesten. Die während der revolutionären Unruhen gebildeten Arbeiter- und Soldatenräte planten, die Polizei als staatliche Institution aufzulösen. Die Führer der Polizeivereine, denen es gelang Verbindungen zu den Räten aufzubauen, setzten sich erfolgreich für die Erhaltung der Polizei ein. Oftmals wurden blutige Straßenschlachten zwischen Beamten und Revolutionären durch ihren Einsatz verhindert, wie z.B. durch das Wirken von Ernst Schrader bei den Verhandlungen zur Übergabe des Berliner Polizeireviers. Nicht selten widersprachen ihre Handlungen dabei den Dienstbefehlen.

Am 10. November 1918 hingen Anschläge an den Berliner Litfaßsäulen, die verkündeten:



Die Polizeibeamten, in ihrem Selbstverständnis verunsichert, formulierten auf einer Versammlung am 13. November 1918 folgende Erklärung:



Unter dem Einfluss der Revolution und der aus ihr hervorgegangenen Demokratie wandelte sich das Verständnis von Polizei deutlich. Eine Entwicklung hin zu einer zivilen Polizei und weg von den militärischen Umgangsformen der Kaiserzeit setzte ein. Polizeivereinigungen wie der Schrader-Verband nahmen die parteipolitische Neutralität in ihre Grundsätze auf.


Die Weimarer Republik bis zur Machtergreifung durch die Nationalsozialisten
Die Weimarer Reichsverfassung vom August 1919 garantierte den Beamten neue Vereinigungsfreiheiten und förderte damit die Vereinsbildung im ganzen Reich. Das die Hoheit über die Polizei bei den Ländern lag und diese die Beamten nicht einheitlich organisierten, zog weitere Vereinsgründungen nach sich; sorgte aber auch für eine Zersplitterung der Polizeivereinigungen. Nicht zu Letzt für die späteren Versuche eine Vereinigung auf Reichsebene zu vollziehen, erwies sich dies als ausgesprochen hinderlich. Bereits im Februar 1919 lösten sich die Kriminalschutzmänner mit einer eigenen Organisation, der „Vereinigung deutscher Kriminalbeamter“, von den Schutzmännern.

Durch die Neuorganisation der preußischen Polizei ab 1919 kam es zu Vereinsgründungen innerhalb der neu entstandenen Sicherheitspolizei (Sipo). Der am 1. Januar 1920 gegründete „Wirtschaftsverband der Beamten der Exekutivpolizei“, der sich bald nach seiner Gründung in „Wirtschaftsverband der Sicherheitspolizeien Deutschlands“ umbenannte, vertrat die wirtschaftlichen Interessen seiner rund 20.000 Mitglieder und trat in Konkurrenz zu bereits etablierten Verbänden wie dem Schrader-Verband.


1930: Polizeisperre, Plünderer auf der Straße / Archiv der sozialen Demokratie (AdsD) der Friedrich-Ebert-Stiftung.

In den 20er Jahren entstanden unter anderem Organisationen der Polizeioffiziere, der Kriminalpolizei, der Gendarmerie und der Landjäger. Im Land Preußen existierten im Jahre 1920 bereits 14 verschiedene Polizeiverbände nebeneinander. In diesem Jahr kommt es erneut zu einer Umorganisation des preußischen Polizeiwesens. Auf Druck der französischen Regierung und unter dem Eindruck der Beteiligung einzelner Mitglieder der Sicherheitspolizei am Kapp-Putsch, wurde die Sipo zur Schutzpolizei umgeformt. Der Wirtschaftsverband, indem sich die Sicherheitspolizei vereinigt hatte, wurde zum „Landesverband Preußen“ der Schutzpolizei.

Die anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen den Verbänden sowie diesen und der Polizeiführung veranlassten den preußischen Innenminister Carl Severing am 18. Januar 1922 folgenden Erlass auszugeben:



Im August 1922 wurde in Berlin die „Vereinigung der Polizei-Offiziere Preußens“, auch Dillenburger-Verband genannt, gegründet. Bis 1924 konnte er 2.300 Mitglieder ausweisen und vereinigte damit 90% der preußischen Polizeioffiziere. Durch die Übernahme nahezu des gesamten Personals der oberen Dienstränge aus der Polizei des Kaiserreiches, die aufgrund ihrer militärischen Vorbildung als Offiziersanwärter eher konservativ eingestellt waren, standen die meisten der Weimarer Demokratie eher kritisch gegenüber.

Am 20.02.1923 gelang mit dem Zusammenschluss kommunaler und staatlicher Polizeibeamter zum „Verband Preußischer Polizeibeamter“ (Schrader-Verband) die erste Einheitsorganisation in Preußen. Von diesem spaltete sich 1925, nach Diskussionen um elementare gewerkschaftliche Grundrechte, der "Allgemeine Preußische Polizeibeamten-Verband" (Betnareck-Verband) ab. Der Betnareck-Verband galt als ausgesprochen sozialdemokratisch geprägt und unterhielt gute Beziehungen zu der Landesregierung. Obwohl er zahlenmäßig dem Schrader-Verband deutlich unterlegen war, hatte er auf Grund seiner politischen Verbindungen großen Einfluss. Neben diesen Vereinigungen existierten unter anderem in Preußen der „Verband der Schutzpolizeibeamten Preußens“(Josupeit-Verband) und der „Verband der mittleren Polizeivollzugsbeamten“ (Murche-Verband). Der Josupeit-Verband sympathisierte mit den konservativen und nationalen politischen Parteien, so der DNVP und der NSDAP. Ein Großteil seiner Mitglieder kam aus den Reihen der unteren Ränge der Schutzpolizei.


"Franzens Eingriff in den Polizeidienst - Was die Akten lehren" - Vossische Zeitung vom 1.4.1931, Seite 4 / Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz.

Ab 1929 verschärfte sich die politische Situation in Deutschland. Durch die Weltwirtschaftskrise und die Rettungsversuche der Regierung über Lohn- und Sozialabbau wuchs die Zahl der Arbeitslosen stetig. Auch die Polizeibeamten waren von diesen Maßnahmen betroffen. Neben Gehaltskürzungen und Stellenabbau sahen sie sich zudem mit einem hohen Konfliktpotenzial auf den Straßen konfrontiert. Dort lieferten sich die Vertreter der radikalen Parteien regelmäßige, heftige Straßenschlachten. Der als sogenannter „Blutmai“ in die Geschichte eingegangene Frühling 1929, markierte auch die Verschlechterung der Beziehung zwischen der Bevölkerung und der Polizei im Allgemeinen. Letzterer wurde in der (insbesondere linken) Presse der Vorwurf willkürlicher Brutalität gemacht.

Mit den zunehmenden Erfolgen der Nationalsozialisten gerieten die Polizeibeamtenverbände immer mehr unter Druck. Bereits 1932 lösten Anhänger der Nationalsozialisten auf einem Treffen republikanischer Polizeibeamter eine Saalschlacht aus. Wo die Nationalsozialisten an die Regierung kamen oder an dieser beteiligt waren, wurden Auflösungsanträge gegen die Vereinigungen gestellt oder Beamte zum Austritt aufgefordert. So erließ der Braunschweigische Innenminister Klagges 1932 folgendes Verbot:



Die Polizeibeamtenverbände sowie deren Dachorganisationen wie der Deutsche Beamtenbund (DBB) wehrten sich gegen dieses Verbot und beriefen sich auf die Vereinigungsfreiheit der Beamten. Die NSDAP-Fraktion, die in diesem Jahr weitere Anträge auf Verbot von Polizeiverbänden stellte, unter anderem auch mit dem Ziel den Schrader-Verband zu verbieten, gelang es damit die republiktreue Polizeibeamte zu verunsichern, was letztendlich ihrer Zielsetzung entsprach. Der „Preußenschlag“ am 20. Juli 1932 stürzte die sozialdemokratische Regierung Preußens und brachte das demokratische „Bollwerk“ Preußen damit zu Fall. Für die Bemühungen der republikanischen Polizeivereinigung stellte dies einen schweren Rückschlag dar.

Nach der Machtübernahme wurden die Polizeibeamtenvereinigungen von der NSDAP sukzessive unterwandert, übernommen oder zur Selbstauflösung gezwungen. Die Beamten wurden in den gleichgeschalteten, nationalsozialistischen „Kameradschaftsbund Deutscher Polizeibeamter e. V.“, der reinen Propagandazwecken diente, überführt. Im Nationalsozialismus gab es für eine Interessenvertretung der Polizeibeamten keinen Platz.


"Der Tumult in den Kammersälen" - Vossische Zeitung vom 1.4.1931, Seite 4 / Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz

Quellenangaben:

1 Zitiert nach Gniesmer S. 6

2 Berliner Morgenpost vom 07.02.1914, zitiert nach Gniesmer S. 9
3 „Deutsche Tageszeitung“ vom 21.01.1914, zitiert nach Gniesmer S. 8-9
4 Zitiert nach Reuter S. 29
5 „Die Polizei“ 15. Jg. (1918), Nr. 17 vom 21. November, zitiert nach Liang S. 43
6 Zitiert nach Reuter S. 38
7 Zitiert nach Gniesmer S. 26-27


Quellen:

Gniesmer, Friedrich (1980): Der Weg zur und mit der GdP. In: A. Dietel (Hg.): Die deutsche Polizei. Ihre Geschichte, ihre Gewerkschaft, Daten, Fakten Meinungen ; 1950 - 1980 ; 30 Jahre Gewerkschaft der Polizei. Hilden.

Liang, Hsi-Huey (1977): Die Berliner Polizei in der Weimarer Republik. Berlin: de Gruyter.

Reuter, Manfred (2012): "In Treue fest". Eine Studie über ausgewählte Polizeigewerkschaften und Polizeigewerkschafter in der Weimarer Republik. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Verlag für Polizeiwissenschaft (Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Polizeigeschichte e.V, 14).

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