GdP-Positionen
Wie viel und welche Polizei braucht Schleswig-Holstein 2.0
- Polizistinnen und Polizisten beim Bürger in den Städten, Gemeinden und Quartieren, keine Bürgerwehren. Die Landesregierung hat zur Rückkehr in die Fläche zwei exemplarische Polizeistationen zur Wiedereröffnung auserkoren und andere gleichzeitig ausgeschlossen. Wir halten die Rückkehr in die Fläche, auch wasserschutzpolizeilich, grundsätzlich für richtig. Es ist jedoch zwingend notwendig, diesen Schritt mit einem landesweiten Organisations- und Personalkonzept im Sinne eines Gesamtkonzepts zu hinterlegen. Jede Rückkehr in die Fläche bedarf zusätzlichen Personals, dieses darf nicht aus dem Bestand genommen werden. Das Thema muss in die weiteren Personalanforderungen eingepasst und konzeptionell mit anderen Bedarfen der Landespolizei abgestimmt werden.
- Gewährleistung der erforderlichen Bearbeitung von Strafanzeigen und qualitative Verfolgung bei Ermittlungsansätzen, keine reine Kriminalitätsverwaltung
- dauerhaft gute Arbeitsbedingungen für unsere Kolleginnen und Kollegen, keine krankmachenden Dienstformen
- ausreichend personelle Möglichkeiten, um auftretenden Phänomenen und Entwicklungen, wie z.B. der Terrorgefahr, Hasskriminalität, Bedrohungen und Hetze im Netz, wirksam begegnen zu können.
- Hintergrund:
Im Februar 2016 hatte die GdP in Schleswig-Holstein ihre Gedanken zur zukunftssicheren Aufstellung der Landespolizei in Schleswig-Holstein erarbeitet. Dieses Papier fand in erheblichem Umfang politisches Gehör. Der bisher geplante Stellenaufbau befindet sich auf der Zielgeraden. 2023 wird die Landespolizei ungefähr 500 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte sowie etwa 100 Tarifbeschäftigte zusätzlich zur Unterstützung implementiert haben.
Die GdP hat von Anfang an klar gesagt, dass sie nicht sagen kann, ob die bisherigen Anstrengungen am Ende reichen.
Die Strukturverbesserungen in der Bewertung der Arbeit der Landespolizei mit insgesamt ca. 1000 Stellenhebungen beginnen zu wirken. Die Erschwerniszulagen wurden in vielen Bereichen erhöht. Die Wochenarbeitszeitverkürzungen für langjährig Schichtdienstleistende befinden sich in Umsetzung.
Das Landesverwaltungsgesetz SH trat am 19.03.2021 in Kraft. Ein etwas holpriger Jamaika-Kompromiss, der aber gerade in Eigensicherungsaspekten durchaus einige positive Änderungen beinhaltet. Nur stellt sich aktuell im Sachhaushalt die Frage, wie denn gesetzliche Regelungen zu Bodycams oder Distanzelektroimpulsgeräte (DEIG) finanziert werden sollen. Geld ist offenbar nicht eingeplant.
Grundvoraussetzung für ein Gelingen ist Verlässlichkeit und gegenseitiges Vertrauen.
Bürgerinnen und Bürger und Politik können sich auf rechtstaatliches Handeln ihrer Polizei verlassen und ihrer Polizei vertrauen. Polizei muss sich auf Regierungshandeln verlassen und vertrauen können. Die Beschäftigten in der Polizei müssen ihrer Polizeiführung vertrauen, und Polizeiführung muss ihren Beschäftigten vertrauen.
Ziel:
Wir wollen eine moderne, motivierte, gut ausgebildete und ausgerüstete und gesunde Polizei für alle Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein.
Wir wollen:
GdP-Forderungen:
Um alles dies auf Dauer zu erreichen, bedarf es angepasster politischer Zielsetzungen in Bezug auf die Personalstärke, Personalstruktur und Arbeitsbedingungen und den festen politischen Willen und Mut, dies umzusetzen.
Die Landespolizei entwickelt sich ständig weiter. Die Anforderungen an unseren Kolleginnen und Kollegen steigen ständig. Terrorbekämpfung, Sicherung digitaler Spuren, Demonstrationsgeschehen, die Komplexität der Sachbearbeitung, rechtsstaatliche Ansprüche an die Beweiserhebung, aber auch der tägliche Umgang mit den Sachverhalten des polizeilichen Einzeldienstes machen eine Anpassung der Ausstattung der Landespolizei erforderlich.
1.) Erhöhung der Personalstärke um mehr als 700 Stellen
Dazu ist es notwendig, in den nächsten Jahren die hohen jährlichen Einstellungen beizubehalten und zur Beschleunigung des notwendigen weiteren Personalaufbaus noch zu erhöhen. 500 Einstellungen jährlich (bisher maximal 400) sollten mit gemeinsamen Anstrengungen der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung (PDAFB) und der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung (FHVD) möglich sein.
Gleichzeitig müssen die Aufstiegsmöglichkeiten in die Laufbahngruppe 2, erstes Einstiegsamt deutlich erweitert werden. Die bisherigen 25 Aufstiegsplätze für den mittleren Dienst sind zu wenig und sorgen für Frust bei sehr gut qualifizierten Kolleginnen und Kollegen.
Die Ausbildungsstätten sind dafür umgehend personell und räumlich auszustatten. Das Fehlen der Aufsteiger für den Regeldienst während des Studiums ist zu berücksichtigen.
Wofür wird dieses Personal u.a. eingesetzt bzw. benötigt?
· Wir benötigen dringend endlich die komplette 2. Einsatzhundertschaft, um professionell auf die Herausforderungen reagieren zu können, ohne den polizeilichen Regeldienst zu schwächen, sowie eine erhöhte Planungssicherheit für Polizeiführung und Beschäftigte zu erhalten (ca. 160 Polizistinnen und Polizisten).
Auszug Jamaika Koalitionsvertrag S. 77: „In einem zweiten Schritt werden wir daraus eine zusätzliche feststehende Einsatzhundertschaft aufstellen, um die Reaktionsfähigkeit bei Großdemonstrationen zu verbessern und die Beamtinnen und Beamten des polizeilichen Einzeldienstes dauerhaft von zusätzlichen Demonstrationseinsätzen zu entlasten.“
· Die spezialisierte Verkehrsüberwachung muss wieder in einem erforderlichen Maße als originäre polizeiliche Aufgabe wahrgenommen werden (ca. 50 Polizistinnen und Polizisten).
· Die Aufgaben- und Organisationsreduzierung der Wasserschutzpolizei muss korrigiert werden (ca. 40 Polizistinnen und Polizisten).
· Aufwachsendes Personal im Vollzug sorgt zwingend auch für mehr Verwaltungsbedarfe in Stäben und generell im Backup. Eine Betrachtung dieses Mehraufwandes ist bisher nicht erfolgt (ca. 50 Stellen).
· Ermittlungsunterstützung durch Cyberspezialisten / IT-Datenauswertespezialisten in der Fläche und im Landeskriminalamt durch Informatiker oder Menschen mit ähnlichen Qualifikationen; die Digitalkompetenz insbesondere auf den Ermittlungsdienststellen in der Fläche muss gestärkt werden (ca. 60 Stellen).
· Internetmonitoring, Terrorbekämpfung, Umgang mit Gefährdern, Hasskriminalität (ca. 30 Stellen)
· Vermögensabschöpfung (ca. 20 Stellen)
· Programm 2020, Betreuung ultramobile Polizeiarbeit (ca. 50 Stellen)
· Die Umsetzung von arbeitsschutz- und arbeitszeitrechtlichen Notwendigkeiten muss zwingend gegengerechnet werden (stille Bereitschaften, rechtlich bedenkliche Rufbereitschaften z.B. bei SEK und MEK, Wochenarbeitszeitverkürzung, Rüst- und Umziehzeiten… (ca. 200 Polizistinnen und Polizisten)
· Reaktivierung der polizeilichen Fortbildung. So ist auch eine politische Fortbildung zwingend (ca. 30 Stellen).
· Die personellen Kapazitäten in der PDAFB und der FHVD auch für die Ausbildung gestärkt werden (ca. 20 Stellen). Sollten sich die Einstellungszahlen wie vorgeschlagen erhöhen, sind hier weitere Bedarfe zu berücksichtigen!
· Stärkung eines psychosozialen Dienstes in der Landespolizei. Zwei Psychologinnen für eine Landespolizei sind zu wenig (ca. 10 Stellen mehr) – nach Möglichkeit Psychologen mit psychotherapeutischen Fähigkeiten
Auszug Jamaika Koalitionsvertrag S. 76: „Wir werden uns für (…) eine verbesserte psychologische Nachsorge, (…) einsetzen.“
· Stärkung des polizeiärztlichen Systems, um den Fürsorgeaspekt in einem gefährlichen Beruf zu stärken (3 zusätzliche Ärztinnen oder Ärzte).
· Polizeivollzugsbeamte müssen in geschlossenen Einsätzen als Rettungssanitäter zur Verfügung stehen (ca. 10 Polizistinnen und Polizisten).
Die in Summe durchaus erheblichen weiteren Personalbedarfe lassen sich in der Begründung auch durch einen erheblich steigenden Mehrarbeitsstundenstand und einen permanent hohen Krankenstand in der Landespolizei plausibel begründen.
Über- und Mehrarbeitsstunden sind in einer Zahl von mehr als einer halben Millionen Stunden zum Jahresabschluss 2019 festzustellen. Alleine diese Zahlen entsprechen einem Gegenwert von 319 Polizistinnen und Polizisten.
Eine permanente Mehrbelastung führt nach einer gewissen Zeit zu krankheitsbedingten Ausfällen. Hier sind nicht nur Ausgebranntheit, Erschöpfung oder gar Burnout zu nennen, sondern sie bewirkt durchaus andere Erkrankungen. Bluthochdruck, erhöhte Infektanfälligkeit, verzögerte Wundheilung, Gewichtszunahme, Kopfschmerzen/Migräne, Hörsturz oder gar Tinnitus.
Die Landespolizei „leidet“ nach wie vor unter einem sehr hohen Abwesenheitskrankenstand von annähernden 10 % - in unfassbaren Zahlen ausgedrückt bedeuten diese durchschnittlich 800 Kolleginnen und Kollegen, die im täglichen Dienst fehlen. Bei Polizeivollzugsbeamten kommen auf diese Situation noch sogenannte Teildienstunfähigkeiten (Nachtdienstbefreiung, Befreiung von geschossenen Einsätzen u.ä.) obendrauf. Im Dienst befindliche „gesunde“ Kolleginnen und Kollegen werden dadurch mehr und oft überbelastet – ein Teufelskreis!
2.) Gute und gesunde Arbeitsbedingen und Entlastung in belastenden Dienstformen
· Rückkehr zum Prinzip der Vermeidung von Mehrarbeit anstelle von Vergütung. Dazu muss Mehrarbeit teurer werden und Eingriffe in den genehmigten Dienstplan monetär oder durch Zeitgutschriften vergütet werden.
· Die Wochenarbeitszeit ist generell auf 35 Stunden zu verkürzen. Die Umsetzung der Arbeitszeitreduzierungen in ungünstigen Dienstformen duldet dabei aus gesundheitlichen Gründen keinen Aufschub.
Die Definition der ungünstigen Dienstformen muss weiter gefasst werden, so dass auch ältere Kolleginnen und Kollegen, die nicht im typischen Wechselschichtdienst tätig sind, aber ebenfalls viele Nachtdienststunden ableisten, schon jetzt von Wochenarbeitszeitreduzierungen profitieren können. Die jährliche Definitionsgrenze von 440 nachweisbaren Nachtdienststunden muss gesenkt werden!
· Verkürzungsmöglichkeiten der Lebensarbeitszeit durch langjährige Tätigkeit in schwierigen Dienstformen.
Auszug Jamaika Koalitionsvertrag S.77: „Unser Ziel ist es, dass erhöhte Anforderungen und wissenschaftlich anerkannte Gesundheitsbelastungen durch den Schichtdienst bei der Festlegung der Wochen- und Lebensarbeitszeit ihre Berücksichtigung finden.“
Die Attraktivität des Polizeiberufes darf nicht alleine durch temporäre, monetäre Erschwernisausgleichszahlungen „vorgegaukelt“ werden. Die GdP fordert deshalb:
· die Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage (im Justizvollzug vergleichbar der sog. Gitterzulage),
· den Wegfall der Eigenbeteiligung bei der Heilfürsorge und der Selbstbehalte in der Beihilfe,
Zeit ist die Währung der Zukunft. Auch im Beamtenrecht wird diese Erkenntnis eine wesentliche Rolle spielen. Sind Zeit oder Geld eine Alternative bei zukünftigen Beamten- und Besoldungsrechtsentwicklungen? Im Zweifel sollten die Beamtinnen und Beamten die Auswahl bei der Gestaltung zukünftiger Dienstverhältnisse haben. Dafür werden wir uns einsetzen!
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